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Hussiten­kriege
von Joachim Bahlcke

Kämpfe zwischen Hussiten und Reichstruppen, die infolge des Aufrufs zum Kreuzzug durch Papst Martin V. vom 1.3.1420 gegen die wyclifitischen und hussitischen „Ketzer“ in Böhmen einsetzten und erst 1436 – nach Niederlage des radikalen Flügels (Taboriten) gegen den verständigungsbereiten Adel – im Frieden mit Papst und Kaiser endeten. Die Hussiten bildeten eine kirchenreformerische bzw. revolutionäre Bewegung in Böhmen, die im Namen an den Reformer Jan Hus anknüpfte. Die Hussitenkriege umfassen einerseits die fünf in ihrer Gesamtheit gescheiterten Feldzüge der aus Deutschen, Ungarn, Italienern und Holländern gebildeten Kreuzzugsheere (1420, 1421, 1422, 1427, 1431) sowie Initiativen einzelner Reichsfürsten wie den Vorstoß des Meißener Markgrafen 1426 zur Unterstützung der nordböhmischen Stadt Aussig/​heute: Ústí nad Labem (Tschechien), andererseits die weiträumigen Militäraktionen der böhmischen Gottesstreiter selbst, die mit ihren „herrlichen Heerfahrten“ (tschech. „vspanilé jízdy“) zwischen 1426 und 1434 die Nachbarländer überzogen und dabei bis zur Ostsee vordrangen. Die hussitische Bewegung wurde offensiv, um ihre Anerkennung innerhalb der Christenheit zu erzwingen und gleichzeitig innere Spannungen durch äußere Erfolge zu überwinden. Ihre Überlegenheit verdankte sie einer neuen Militärtaktik, talentierten Feldherren und nicht zuletzt dem religiös-revolutionären Kampfgeist der meist aus ärmeren Unterschichten stammenden taboritischen Krieger. Auf ihren Heerzügen und in Manifesten verbreiteten die Hussiten ihr religiös-soziales Reformprogramm und gewannen dadurch auch außerhalb Böhmens eine in ihrer Größenordnung schwer abschätzbare Anhängerzahl.

In den Nebenländern der Böhmischen Krone, wo die Reformbewegung zunächst kaum Resonanz fand, erklärte man sich beim Thronwechsel 1419 für Kaiser Sigismund, der allerdings von den Aufständischen in Prag für den Tod von Jan Hus (1415 in Konstanz hingerichtet) verantwortlich gemacht und daher abgelehnt wurde. Auch die Stände der Oberlausitz huldigten Sigismund auf dem Breslauer Reichstag Anfang 1420 und stellten ihm für den ersten „Ketzer“-Kreuzzug gegen Böhmen ein Truppenkontingent zur Verfügung. Danach waren lausitzische Truppen wiederholt an Kriegshandlungen in Böhmen beteiligt. Im Januar 1425 erörterten Ständeversammlungen in Görlitz und Bautzen erstmals konkrete Vorbereitungen, um einem Einfall der „Ketzer“ in die Oberlausitz zu begegnen. Abgesehen von kleineren Zusammenstößen im Grenzraum kam es im Mai 1427 zu einem Angriff der Hussiten, die zunächst einen breiten Landstrich zwischen Friedland und Görlitz verwüsteten und dann ostwärts Richtung Lauban/​heute: Lubań (Polen) zogen, das erobert und zerstört wurde. Während eines weiteren Eroberungszugs im November 1428 wagte das Aufgebot des Sechsstädtebunds in der Umgebung von Kratzau/​heute: Chrastava (Tschechien) und Machendorf/​heute: Machnín (Tschechien) erstmals eine offene Feldschlacht, in der man die Angreifer erfolgreich zurückdrängen und große Teile der Beute zurückerobern konnte. Besonders grausam war der Zug zweier hussitischer Feldheere im Herbst 1429, die nach glaubwürdigen Lausitzer Quellen an die 6 000 Fußsoldaten, 800 Reiter und über 200 Wagen umfassten. Neben dem flachen Land und den unbefestigten Landstädten waren es v. a. die drei kleineren Sechsstädte Kamenz, Löbau und Lauban, die von den bis Mitte 1431 fortgesetzten Einfällen mehrfach schwer getroffen wurden. Während Zittau und Bautzen Überfälle und Belagerungen abzuwehren vermochten, ist das am besten befestigte Görlitz nie direktes Angriffsziel der Taboriten gewesen.

Die rigorosen antiketzerischen Maßnahmen konnten das Eindringen hussitischer Überzeugungen in die Nachbarländer nicht verhindern. Auch in der Oberlausitz fanden sich Anhänger nonkonformistischer Positionen, namentlich in den größeren Städten, und zwar sowohl unter Deutschen als auch unter Sorben. Zum hussitischen Vorbild bekannte man sich in der Regel nicht, denn dadurch wären alle kirchlichen Reformbemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Es fällt auf, dass sich ab 1427, als offenbar eine größere Wachsamkeit gegen innere Gegner einsetzte, Nachrichten über Sympathisanten der Hussiten und „Verräter“ in den Stadtchroniken von Zittau, Bautzen und Görlitz mehren. Besonders dicht sind die Berichte über den Fall des Pětr z Přišec (Peter von Preischwitz), der freilich nicht der „lausitzisch-sorbische Hussitenmärtyrer“ (Frido Mětšk) war, zu dem ihn die marxistische Geschichtsschreibung stilisierte. Der Bautzener Stadtschreiber, dem als Sorbe ein beachtlicher sozialer Aufstieg gelungen war, wurde am 3.2.1430 nach einem durch Folter erzwungenen Geständnis zum Tode verurteilt. Pětr z Přišec soll 1429 mit den Hussiten in enger Verbindung gestanden und die Verteidigungsmaßnahmen behindert haben. Die hussitischen Manifeste, die sich z. T. in glühendem Patriotismus gegen alle Feinde der tschechischen wie der slawischen Zunge richteten, fanden unter der sorbischen Bevölkerung kein nachhaltiges Echo (eine Ausnahme war Nikolaus von Dresden). Dass die Hussitenkriege gleichwohl andere ständisch-gesellschaftliche Konflikte verstärken konnten, zeigt der Fall des Georg von Biberstein, dessen prohussitische Sympathien vor dem Hintergrund oftmals jahrelanger Fehden zwischen einzelnen Adligen und den seit dem 14. Jh. immer mächtiger gewordenen Städten zu betrachten sind.

Lit.: R. Jecht: Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte unter Kaiser Sigmund, Band 1–2, Görlitz 1911–1916; F. Mětšk: Petr z Príšec, lužickosrbský husitský mučedník, in: Kostnické jiskry 36 (1955); F. Šmahel: Die Hussitische Revolution, Band 1–3, Hannover 2002; N. Kersken: Die Oberlausitz von der Gründung des Sechsstädtebundes bis zum Übergang an das Kurfürstentum Sachsen (1346–1635), in: Geschichte der Oberlausitz. Hg. J. Bahlcke, Leipzig 2001; M. Ruske: Verrat an den Feind? Die Bekenntnisse des Peter Preischwitz (1430/31), in: Eide, Statuten und Prozesse. Ein Quellen- und Lesebuch zur Stadtgeschichte von Bautzen (14.–19. Jahrhundert),

Hg. G. Schwerhoff/​M. Völker, Bautzen 2002.

Metadaten

Titel
Hussiten­kriege
Titel
Hussiten­kriege
Autor:in
Bahlcke, Joachim
Autor:in
Bahlcke, Joachim
Schlagwörter
Belagerung; Reformbewegung; Kirchengeschichte; Kreuzzug; Krieg; Verteidigung; Militär
Schlagwörter
Belagerung; Reformbewegung; Kirchengeschichte; Kreuzzug; Krieg; Verteidigung; Militär
Abstract

Kämpfe zwischen Hussiten und Reichstruppen, die infolge des Aufrufs zum Kreuzzug durch Papst Martin V. vom 1.3.1420 gegen die „Ketzer“ in Böhmen einsetzten und erst 1436 im Frieden mit Papst und Kaiser endeten. Die Hussiten bildeten eine kirchenreformerische bzw. revolutionäre Bewegung in Böhmen, die schon im Namen an den Reformer Jan Hus anknüpfte.

Abstract

Kämpfe zwischen Hussiten und Reichstruppen, die infolge des Aufrufs zum Kreuzzug durch Papst Martin V. vom 1.3.1420 gegen die „Ketzer“ in Böhmen einsetzten und erst 1436 im Frieden mit Papst und Kaiser endeten. Die Hussiten bildeten eine kirchenreformerische bzw. revolutionäre Bewegung in Böhmen, die schon im Namen an den Reformer Jan Hus anknüpfte.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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