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Östliche Lausitz
von Tomasz Jaworski

Östlich der Neiße gelegener, seit 1945 zu Polen gehörender Teil der Ober- und Niederlausitz, für den sich in der neueren Literatur der Begriff Östliche Lausitz (poln. Łużyce Wschodnie) etabliert hat.

Seite aus dem mehrsprachigen Wörterbuch von Hieronymus Megiser, 1603; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Die früheste Westgrenze polnischer Stammesgebiete, die sich an nacheiszeitlichen Gräben und Wällen nachweisen lässt, verlief etwa von Crossen/​heute: Krosno Odrzańskie (Polen) in südlicher Richtung über Niebusch/​heute: Niwiska (Polen) bis Kortnitz/​heute: Kartowice (Polen), dann entlang von Bober und Queis bis Kaltdorf/​heute: Pruszków (Polen), schließlich über den Bober hinweg bis Greulich/​heute: Grodzanowice (Polen). Die natürliche Ostgrenze des sorbischen Sprachgebiets lag nach Arnošt Muka zwischen beiden Lausitzen einerseits und Schlesien bzw. der Westspitze des Großherzogtums Polen andererseits, jeweils entlang der Flüsse Oder, Bober und Queis.

Der Siedlerzustrom von Westen her begann im 10. Jh. Ab Mitte des 12. Jh. siedelten sich entlang der Handelswege flämische, ab Mitte des 13. Jh. überwiegend deutsche Kolonisten an. Die sorbischen Gebiete südlich der Straße von Görlitz nach Lauban/​heute: Lubań (Polen) wurden rasch germanisiert, die waldreichen nördlichen Gebiete hingegen langsamer von der Kolonisation erfasst. Eine geschlossene sorbische Bevölkerung hielt sich beiderseits der Neiße und im Sorauer Kreis. Auch die Bauern der an die Lausitz angrenzenden Herrschaft Crossen waren bis Anfang des 17. Jh. zu etwa 90 % Sorben. In Nachbarstädten wie Sommerfeld/​heute: Lubsko (Polen) bildeten sie ebenfalls einen Großteil der Einwohner. Aus dieser Bevölkerungsgruppe kam z. B. der sorbischen Humanist Jan Rak (Aesticampianus). Das Neue Testament (→ Bibelübersetzungen) übersetzte 1548 „zu Lob und Ehre der sorbischen Sprache und des sorbischen Volkes“ der in Linderode/​heute: Lipinki Łużyckie (Polen) predigende Mikławš Jakubica. Er bediente sich dabei seines örtlichen ostniedersorbischen Dialekts. Den Dialekt der sog. Oderwenden hielt Hieronymus Megiser 1603 in seinem mehrsprachigen Wörterbuch fest.

Dorfansicht von Witzen bei Sommerfeld, um 1920; Reproduktion aus: Werner Köhler, Brandenburgische Fahrten, Bd. 2, Berlin 1923

Infolge des Dreißigjährigen Krieges kam es zu hohen Bevölkerungsverlusten (bis zu 75 %), die nach Zuwanderung erst um 1800 wieder ausgeglichen waren. So entstanden parallele sorbische und deutsche Sprachzonen. Der Leibeigenschaft ausgesetzt, vermochten die sorbischen Bewohner der Region ihre Söhne selten zum Studium zu schicken. In Konkurrenz zur deutschen Kirchenobrigkeit und zur Gegenreformation waren die sorbischen kirchlichen Strukturen hier weniger stabil als in der übrigen Lausitz.

Des Sorbischen bediente sich noch Měto Jańš (Martin Jänisch) aus der Herrschaft Sommerfeld, der 1702–1719 Pfarrer in Linderode war. Im nordwestlichen Teil des Kreises Sorau/​heute: Żary (Polen) überwogen um 1820 noch die Sorben, denen in ihrer Muttersprache gepredigt wurde. Für die Gegend um Triebel/​heute: Trzebiel (Polen) existiert eine Nachricht vom Verklingen der Sprache (1867). Ähnliche Entwicklungen verliefen jenseits der Lausitzer Grenze um Crossen und Sagan/​heute: Żagań (Polen). Nach 1815 wurde das Gebiet zwischen Neiße und Queis mit Schlesien bzw. Brandenburg vereinigt und gehörte bis 1945 zu Preußen. 1937 wurden auch hier Ortsnamen verändert, die auf die frühere slawische Besiedlung hindeuteten. Mit den Resten sorbischer Dialekte östlich der Neiße befasste sich um 1950 der polnische Slawist Zdzisław Stieber.

Zweisprachige Publikation mit Beiträgen zur Geschichte der Lausitz östlich der Neiße, Łużycka Wyższa Szkoła Humanistyczna, Żary 2011

Obwohl aus dem öffentlichen Bereich verschwunden, blieben sorbische Sprache und Bewusstsein stellenweise bis Mitte des 20. Jh. präsent. So belegt eine Akte, dass 1877 148 und 1924 77 Bewohner des Kreises Sorau Mittel aus Jan Michał Budars Stiftung für bedürftige Sorben in Anspruch nahmen. Auch Geistliche aus dem sorbischen Kerngebiet wirkten zeitweise in der östlichen Lausitz, so 1862–1898 der Niedersorbe Jan Bjedrich Tešnaŕ in Nieda/​heute: Niedów (Polen) oder 1940–1950 der Obersorbe Jurij Brusk in Königshain/​heute: Działoszyn (Polen).

Durch die östliche Lausitz führen seit jeher die beiden wichtigsten mitteleuropäischen Ost-West-Handelswege: der eine von Posen über Crossen nach Magdeburg, der andere als „Via Regia“ von Krakau und Breslau über Görlitz und Leipzig bis Frankfurt am Main. Ab Mitte des 19. Jh. entstand ein Eisenbahnnetz, das zugleich strategisches Gewicht erlangte. Auf der Suche nach Arbeit wanderten im 19. Jh. überwiegend aus Groß- und Kleinpolen die sog. Sachsengänger in das Gebiet.

Die im Juni 1945 begonnene Aussiedlung erfasste außer den Deutschen auch eingewanderte Sorben. Sie führte zu einer vollständigen Polonisierung der östlichen Lausitz und zu einem Strukturwandel. Die meisten Neusiedler trafen 1946 in der Region ein, 1949/50 war der Prozess der Zuwanderung abgeschlossen. Den in den 1950er Jahren auftretenden nationalen und sozialen Differenzen folgte die Integration der neuen Bewohner aus verschiedenen Gegenden Polens. Seit 1990 setzen sich Vereine für die symbolische Bewahrung sorbisch-lausitzischer Traditionen ein.

Lit.: E. Muka: Die Grenzen des sorbischen Sprachgebiets in alter Zeit, in: Archiv für slavische Philologie, 1904; A. Lange: Die oderwendische Tracht von Aurith und Ziebingen, Bautzen 1998; W. Piwoński: Łużyce Wschodnie, Żary 2000; Ludność pogranicza śląsko- łużyckiego, Red. T. Jaworski, Zielona Góra 2003; W. Bena: Polskie Górne Łużyce. Przyroda – historia – zabytki, Zgorzelec 2003; Łużyce po obu stronach Nysy – Die Lausitz auf beiden Seiten der Neiße, Żary 2011; E. Eichler/​Ch. Zschieschang: Die Ortsnamen der Niederlausitz östlich der Neiße, Stuttgart/​Leipzig 2011.

Metadaten

Titel
Östliche Lausitz
Titel
Östliche Lausitz
Autor:in
Jaworski, Tomasz
Autor:in
Jaworski, Tomasz
Schlagwörter
Lausitz; Landesgeschichte; Assimilation; Sorben
Schlagwörter
Lausitz; Landesgeschichte; Assimilation; Sorben
Abstract

Östlich der Neiße gelegener, seit 1945 zu Polen gehörender Teil der Ober- und Niederlausitz, für den sich in der neueren Literatur der Begriff Östliche Lausitz (poln. Łużyce Wschodnie) etabliert hat.

Abstract

Östlich der Neiße gelegener, seit 1945 zu Polen gehörender Teil der Ober- und Niederlausitz, für den sich in der neueren Literatur der Begriff Östliche Lausitz (poln. Łużyce Wschodnie) etabliert hat.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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