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Cottbus
von Peter Schurmann

Kreisfreie Stadt im Süden Brandenburgs und einzige deutsch-sorbische Großstadt, ca. 100 000 Einwohner (2018); Zentrum der Niederlausitz und Sitz zahlreicher sorbischer Einrichtungen.

Spätestens um 900 erbauten die Lusizer auf einer Talsandinsel am Westufer der Spree – an der Stelle des späteren Schloss- und heutigen Gerichtsbergs – einen großen Burgwall. Im Schutz der Burg entstand im 11./12. Jh. ein Suburbium mit einem Burggrafen. 1156 wurde erstmals „Heinricus castellanus de chotibuz“ urkundlich erwähnt, der zu den Gefolgsleuten des Markgrafen zu Meißen gehörte. Bis Mitte des 15. Jh. beherrschte ein fränkisches Rittergeschlecht die Stadt und das nähere Umland. 1445 bzw. 1455 erwarben die Hohenzollern die Herrschaft Cottbus mit Peitz (→ Cottbuser Kreis). Diese bildete bis 1806 eine brandenburgische bzw. preußische Enklave in der ab 1635 sächsischen Niederlausitz. Ab 1806 gehörte Cottbus zum Königreich Sachsen; nach dem Wiener Kongress von 1815 wurde das gesamte ehemalige Markgraftum preußisch. Bis 1945 gehörte Cottbus zum Regierungsbezirk Frankfurt (Oder). Nach Auflösung Preußens war die Stadt Bestandteil der Mark bzw. des Landes Brandenburg, 1952–1990 Zentrum des DDR-Bezirks Cottbus.

Undatierte Stadtansicht von Cottbus von Johann Gottfried Krügner, Reproduktion aus: JGORichters Sammlung Einiger Nachrichten Von Der […] Stadt Cotbus […], Cottbus 1730

Als letzte Möglichkeit, die Spree südlich des Spreewalds zu überqueren, wurde Cottbus zum verkehrsgeografischen und strategischen Ort. Hier kreuzten sich zwei zentrale Handelswege: die Salzstraße, die den Westen – von Magdeburg und Leipzig her – mit Schlesien verband, mit der von Frankfurt (Oder) nach Dresden führenden Route. Die Sorben bzw. Wenden erhielten volle Stadtrechte, wenn sie sich zum Deutschen bekannten. Im 15. Jh. gab es in Cottbus Zunftverbote (→ Zunftordnungen), u. a. bei den Tuchmachern, die 1525 durch den brandenburgischen Kurfürsten wieder außer Kraft gesetzt wurden. 1544 waren unter den brauberechtigten Bürgern der Stadt 41 % Sorben. Sie gehörten vereinzelt zur städtischen Oberschicht, einige übten Funktionen in der Verwaltung aus.

Erste schriftliche Belege zur sorbischen Kirchenzugehörigkeit finden sich in der Meißener Bistumsmatrikel von 1495, in der für Cottbus eine sorbische Kapelle („capella Sclavorum“) erwähnt ist. Dem katholischen Erzpriester waren in der Herrschaft Cottbus 17 Pfarrkichen zugeordnet, in denen auch sorbische Kapläne für die Beichte zuständig waren. Unter Markgraf Johann V. setzte sich ab 1536/37 die Reformation in der Niederlausitz durch. In Cottbus verkündeten auch sorbische Geistliche die lutherische Lehre, so 1522 kurzzeitig Jan Brězan (Johannes Briesmann). Ab 1537 war die Klosterkirche des ehemaligen Franziskanerordens evangelische Pfarrkirche für die Sorben in Cottbus und einigen benachbarten Dörfern. In dieser Wendischen Kirche wurde mindestens bis Ende 1933 regelmäßig niedersorbisch gepredigt. Seit 1989 wird am 1. Weihnachtsfeiertag wieder sorbischer Gottesdienst gefeiert.

Pestepidemien und Stadtbrände, aber auch eine jahrelange Besetzung nach Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs brachten Zerstörung, Not und Elend für die Stadt. Der Anteil der sorbischen Bevölkerung in der Niederlausitz verringerte sich zwischen 1618 und 1648 durchschnittlich um die Hälfte. In Cottbus ging die Anzahl der Bürger mit Stadtrecht von 490 (1599) auf 243 (1652) zurück. Erst im 18. Jh. konnte die Region durch die Ansiedlung französischer Hugenotten und v. a. von Bauern, Handwerkern und Kaufleuten aus dem benachbarten Sachsen wirtschaftlich aufholen. Letztere gründeten neue Siedlungen, darunter den Ort Sachsendorf bei Cottbus, dessen Bevölkerung mehrheitlich die sorbische Sprache erlernte. 1843 tauchte erstmals die heute geläufige niedersorbische Bezeichnung Chóśebuz auf. Um 1900 lag der Anteil der Sorben in Cottbus bei 16 %, in vielen umliegenden Dörfern noch bei über 90 %.

Verkaufsstelle für Trachtenstoffe im Warenhaus in Cottbus, 1956; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die Lateinschule, 1435 erstmals erwähnt, bildete Knaben aus Cottbus und Umgebung für den Universitätsbesuch aus. Im 17. Jh. wurde die Anstalt auch als Akademie der Sorben bezeichnet („Academia dicta Wandaliae“, später „Universitas Serborum“), deren Anteil in der Stadt damals bei etwa 30 % lag. 1856 erlaubte der preußische Kultusminister am städtischen Gymnasium (seit 1820) die Einführung des „fakultativen Wendischunterrichts“, der auch Prüfungsfach war und bis 1888 bestand. Dadurch wurden Bücher in niedersorbischer Sprache angeschafft und gesammelt („Bibliotheca Wendica“), die meist aus dem Nachlass sorbischer Lehrer und Pfarrer stammten. 1857 veröffentlichte der Sorbischlehrer des Gymnasiums und Dolmetscher am Kreisgericht Karlo Kito Dalej ein „Kleines Lehrbuch zur leichten Erlernung der niederlausitzisch-wendischen Sprache“, das im Unterricht eingesetzt wurde. Druckereien bzw. Verlage in Cottbus publizierten bis Ende des 19. Jh. Schriften in niedersorbischer Sprache (→ Buchdruck), so die Druckerei F. W. Brandt von 1864 bis 1884 den „Bramborski Serbski Casnik“ (→ Zeitungen).

1849 wurde der erste sorbische Verein in Cottbus durch Gymnasiasten gegründet, ein Jahr später der Wendische Verein der Niederlausitz. Letzterer setzte sich das Ziel, nützliche Schriften in niedersorbischer Sprache herauszugeben und zu verbreiten. Dies gelang jedoch erst der 1880 in Cottbus gegründeten Maśica Serbska. Dieser „wendische Buchverein“ richtete 1928 in der neu erbauten Filiale der Wendischen Volksbank (ab 1921) seine Bibliothek ein (→ Bibliotheken). In den 1930er Jahren war der Buchbestand der Maśica in der städtischen Hochschule für Lehrerbildung (seit 1907) untergebracht, wo auch Kandidaten sorbischer Herkunft studierten, die jedoch keine Ausbildung in Sorbisch erhielten. Überregionale Bedeutung erlangte der 1891 erneut durch Gymnasiasten gegründete Bund wendischer Freunde, der sorbischen kulturellen Aktivitäten in der Niederlausitz Auftrieb gab und 1893 hier die Tradition sorbischer Gesangsfeste begründete. 1912 wurde am Cottbuser Theater das Stück „Die Spreewälder“ von Mato Rizo uraufgeführt, in dem auch auf Niedersorbisch gesungen wurde.

1946 nahm in der Niederlausitz eine regionale Vertretung der Domowina ihre Arbeit auf, die 1949 ein Sekretariat in Cottbus einrichtete. Später war dort der Sitz des Regional- bzw. Kreisverbands („župa“). 1957 fand erstmals ein Bundeskongress der Domowina in Cottbus statt, dem ab 1977 weitere folgten. Das ab 1984 im Stadtzentrum erbaute Wendische Viertel mit konsequent deutsch-sorbisch beschrifteten Straßenschildern war ein Schwerpunkt städtebaulicher Erneuerung in der späten DDR.

Niedersorbisches Gymnasium, 2013; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Nach der politischen Wende schuf Cottbus eine Stelle für sorbische Angelegenheiten in der Stadtverwaltung, die die Tätigkeit der Arbeitsgruppe Sorbenfragen (seit 1961) weiterführt. Eine Vielzahl sorbischer Institutionen hat ihren Sitz im 1990 eingerichteten Wendischen Haus. Ferner sind in der Stadt das Niedersorbische Gymnasium (seit 1952, bis 1990 Sorbische Erweiterte Oberschule „Marjana Domaškojc“), die Redaktion der niedersorbischen Wochenzeitung. „Nowy Casnik“ (seit 1955), das Sorbische Studio beim heutigen Rundfunk Berlin-Brandenburg (seit 1957), das Wendische Museum (seit 1994), die Arbeitsstelle für sorbische/​wendische Bildungsentwicklung, die Schule für Niedersorbische Sprache und Kultur (beide seit 1992) und die niedersorbische Filiale des WITAJ-Sprachzentrums (seit 2001) ansässig.

Lit.: G. Krüger: Die Geschichte der Stadt Cottbus, Cottbus 1930; R. Lehmann: Geschichte der Niederlausitz, Berlin 1963; Autorengemeinschaft: Geschichte der Stadt Cottbus, Cottbus 1994; A. und S. Kohlschmidt, T. Kläber: Cottbus 1156–2006. 850 Jahre, Cottbus 2005; Das Wendische Cottbus – Serbski Chóśebuz, Hg. S. Krestin, in: Cottbuser Blätter 2011.

Metadaten

Titel
Cottbus
Titel
Cottbus
Autor:in
Schurmann, Peter
Autor:in
Schurmann, Peter
Schlagwörter
Wenden; Niederlausitz; Minderheit; Westslawen; Cottbuser Kreis; Stadt; Brandenburg; Deutschland
Schlagwörter
Wenden; Niederlausitz; Minderheit; Westslawen; Cottbuser Kreis; Stadt; Brandenburg; Deutschland
Abstract

Kreisfreie Stadt im Süden Brandenburgs und einzige deutsch-sorbische Großstadt, ca. 100 000 Einwohner (2018); Zentrum der Niederlausitz und Sitz zahlreicher sorbischer Einrichtungen.

Abstract

Kreisfreie Stadt im Süden Brandenburgs und einzige deutsch-sorbische Großstadt, ca. 100 000 Einwohner (2018); Zentrum der Niederlausitz und Sitz zahlreicher sorbischer Einrichtungen.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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