Fluss von 398 km Länge, der Ober- und Niederlausitz von Süd nach Nord
durchfließt. Etwa drei Viertel des sorbischen Siedlungsgebiets liegen im Einzugsgebiet
der Spree und ihrer Nebenflüsse. Der Name kommt vom indogermanischen
Sprewa ,stieben, spritzen, sprühen‘ und wurde ins Altsorbische als
Sprěwa übernommen. Darauf gehen die heutigen Formen sorbisch
Sprjewja und deutsch Spree zurück (→ Gewässernamen).
„Böhmische Brücke“ über die Spree in Obergurig; Fotografin: Hana Schön,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die Spree entspringt mit drei Quellen am Berg Kottmar und bei Neugersdorf im Oberlausitzer Bergland. Bei Großpostwitz tritt sie in die
Gefildelandschaft und das sorbische Siedlungsgebiet ein. Entlang des Flusses
siedelten am Oberlauf ursprünglich die Milzener, am Unterlauf die Lusizer. Südlich von Bautzen bildet die Spree enge Felstäler, sog. Skalen (von
sorbisch skała ,Fels‘). Über den steilen Ufern sind von den frühen
sorbischen Bewohnern Burgwälle angelegt bzw. ältere
genutzt worden, so in Sohland,
Kirschau, Doberschau, in Bautzen selbst (Protschenberg und
Ortenburg) und in Niedergurig.
Nördlich von Bautzen, bei Oehna,
erreicht die Spree das eiszeitlich geprägte Tiefland. Wegen des geringen
Gefälles neigt sie ab dort zur Flussspaltung und Vernetzung. Große und Kleine
Spree sowie die zugehörigen Fließe bei Niedergurig, dazu eine weitere
Verzweigung vor Spreewiese, die erst
nach 30 km Eigenlauf beider Flussarme bei Spreewitz endet, haben ihre heutige Gestalt wohl durch
menschliche Einwirkung in der Frühen Neuzeit erhalten.
Spreewehr
in Neudorf/Spree, 1956; Fotograf: Ernst Tschernik, Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
Auf sächsischem Territorium werden Teichgruppen zwischen den Flussarmen bzw. in deren Nähe,
die Grundlage einer intensiven Fischwirtschaft sind, mit Spreewasser bespannt.
Den Übergang des Flusses von der Ober- in die Niederlausitz bezeichnet der
Durchbruch durch den Höhenrücken des Lausitzer Grenzwalls bei Spremberg. Nördlich von Cottbus verzweigt sich die Spree in die
etwa 300 Fließe, Bäche und Gräben des Spreewalds. Die Region stellt noch heute ein Kerngebiet sorbischer
historischer und ethnografischer Überlieferung dar. Nördlich des Unterspreewalds
verlässt die Spree das sorbische Siedlungsgebiet und strebt, vom Neuendorfer See ab als schiffbares
Gewässer, Berlin zu. Bei
Berlin-Spandau mündet sie in die
Havel, die sie mit Elbe und Nordsee verbindet. Von der Quelle bis zur Mündung
verläuft heute der „Spreeradweg“.
Spree in
Spremberg, 2020; Fotograf: Frank Müller, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen
Institut
Die durch die industrielle Entwicklung, v. a. den Braunkohlenbergbau, seit Mitte des 19. und im 20. Jh. gewachsene
wirtschaftliche Nutzung hat zu vielfältigen Eingriffen in den Flusslauf geführt.
Zur Sicherung des Wasserbedarfs der Kraftwerke, für die Tagebauaufschlüsse und
den Hochwasserschutz wurde der Fluss weiträumig umgeleitet und eine Reihe von
Speicherbecken und Stauseen angelegt. Dadurch wurden Standorte ehemals
sorbischer Dörfer überflutet (Stausee Bautzen: Malsitz, Nimschütz;
Bärwalder See: Schöpsdorf, Merzdorf). Durch Flutung der Tagebaurestlöcher und touristische
Erschließung der Nachfolgelandschaften hat sich das Bild der Spreeauen
gewandelt.
Flussschleuse in Leipe, 1953; Fotograf: Erich Rinka, Sorbisches Kulturarchiv
am Sorbischen Institut
Der Lauf der Spree bildete sowohl in der Phase der sorbischen Besiedlung als auch während der deutschen Kolonisation eine zentrale
Siedlungsachse. Der sorbische Bauernaufstand von 1790, an dem über 600
Untertanen der Spreedörfer um Lohsa
beteiligt waren, entzündete sich in Kauppa, Göbeln und
Leichnam (seit 1911 Spreewiese)
am Streit mit den Gutsherrschaften um die Wasserrechte an der Spree. Die in
Flussnähe errichteten Industriebetriebe veränderten den Charakter der Landschaft
und die Lebensbedingungen der Bewohner. In der Sagenwelt erscheint das Motiv der
Spree in den Geschichten um Wassermann, Schlangenkönig und den Riesen Sprejnik (→ Sage). Aufgrund von Plänen für eine schiffbare
Verbindung zwischen Elbe, Spree und Oder entwickelte der sorbische Häusler
Paul Wirth aus Wartha („Kanalbauer Wirth“) in den 1920er
Jahren die Idee eines Kanalsystems, die im Sinne eines modernen Mythos vielfach
kolportiert wurde. Während in der Volksdichtung die Spree in Konkurrenz zu anderen Gewässern tritt,
bildet sie in Caspar Peucers
Lobgedicht auf die Lausitz „Idyllium Patria“ (1583) das Leitmotiv. In der nationalen Wiedergeburt der Sorben
wurde das Motiv in der Literatur benutzt, um Verlässlichkeit und Dauer
nationaler Existenz zu beschwören.
Lit.: H. Berghaus: Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafthums
Nieder-Lausitz in der Mitte des 19. Jahrhunderts, 2 Bände, Brandenburg 1855,
Neudruck Leipzig 1970; Th. Schütze: Um Bautzen und Schirgiswalde. Werte der
Deutschen Heimat, Berlin 1967; H. Götze: 398 Kilometer Spree. Von der Quelle in
der Oberlausitz bis zur Mündung in Spandau, Berlin 1993; C. Peucer: Idyllium
Patria, Stadtmuseum Bautzen, Jahresschrift Nr. 7, Bautzen 2001; Landschaften in
Deutschland. Werte der Deutschen Heimat, Band 67, Oberlausitzer Heide- und
Teichlandschaft, Köln/ Weimar/Wien 2005; A. Klaffenböck: Die Spree, in:
Oberlausitzer Mythen, Hg. L.-A. Dannenberg/ M. Donath/ D. Scholze, Meißen
2012.