Klerikergemeinschaft an der Stiftskirche St. Petri zu
Portal des Domstifts in Bautzen; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Das Bautzener Stiftskapitel wurde im frühen 13. Jahrhundert gegründet. In einer
Schenkungsurkunde von 1221, mit der der Meißner
Die Leitung des Kapitels hatte der Propst. Dieser musste aus den Reihen der Meißner Domherren gewählt werden und residierte auch in Meißen. So wuchs meistenteils den Dekanen des Kollegiatkapitels die Aufgabe zu, die Geschäfte zu führen. Weil es den Wettinern gelang, sich im späten 15. Jahrhundert die Präsentationsrechte fast aller Stellen des Meißner Domkapitels zu sichern, gewannen sie über die Bautzener Propststelle auch Einfluss auf das Stiftskapitel. Diese Konstellation war Voraussetzung dafür, dass die Bautzener Propstei seit der Konversion des Propstes Hieronymus von Komerstadt zum Luthertum 1559 stets mit einem Lutheraner besetzt war. Diese Besonderheit – ein katholisches Kapitel unter einem evangelischen Propst – währte bis ins 20. Jahrhundert, hatte jedoch schon längere Zeit praktisch keine Bedeutung mehr.
Eine wichtige geistliche und kirchenrechtliche Aufgabe übernahmen die Bautzener
Pröpste als Archidiakone des Archidiakonatsbezirks
Auch durch die Verbindung der Propstei mit einer Meißner Domherrenstelle waren
die Bautzener Pröpste des Mittelalters meist keine Lausitzer. Vielfach kamen sie
aus dem Dienstadel der Meißner Markgrafen. Die Dekane wiederum kamen aus
Adelsfamilien der Umgebung oder angesehenen Bürgerfamilien Bautzens und anderer
Lausitzer Städte. Auch die übrigen Kanonikerstellen besetzten sich vorwiegend
mit Angehörigen des niederen Adels der Lausitz bzw. Schlesiens wie auch aus
bürgerlichen Familien dieser Gegenden. Im Gegensatz zu anderen Stiftskapiteln
war adlige Herkunft in Bautzen keine Voraussetzung für die Aufnahme. Ob unter
den Kanonikern des Mittelalters auch
Dieses Verhältnis verschob sich nach der Reformation. Die großen Lausitzer Städte und im Gefolge auch die meisten Landpfarreien wurden lutherisch. Der personelle Einzugs- und der geistliche Einflussbereich des Kollegiatstiftes wurden kleiner. Im Gefolge dieser Verschiebungen erhielten nunmehr zunehmend Sorben aus den verbliebenen katholischen Kirchspielen Kanonikate, auch wenn sie nicht aus bürgerlichen Verhältnissen kamen.
Sorbisches katholisches Gesangbuch 1787; Reproduktion: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Zugleich aber wurde das Prestige des Dekans durch die Verbindung seines Amtes mit dem des
Apostolischen Administrators deutlich größer. Nachdem vor allem in Leisentrits
Zeit und in den unmittelbaren Folgejahren die entscheidenden Ämter des D. mit
Einheimischen besetzt wurden, was wesentlich zur Festigung der Institution in
diesen unsicheren Zeiten beitrug, wurde der regionale Bezug vor allem bei der
Ernennung des Dekans im Laufe des 17. Jahrhunderts oftmals aufgegeben. Als
Zeichen der auch politisch wichtigen Bedeutung des Bautzener Stifts und der mit
ihr verbundenen Apostolischen Administratur wurden die Bautzener Dekane meistens
auch nobilitiert. Vielfach gelangten kaiserlich geförderte Kandidaten in dieses
Amt, deren offensichtlich fehlende persönliche Bindungen zum Bautzener Stift und
damit einhergehende Ungeschicklichkeiten auf dem religionspolitisch heiklen
Gelände der Lausitz Schwierigkeiten unterschiedlicher Art mit sich brachten.
Vielfach beklagte man Misswirtschaft oder fehlendes Fingerspitzengefühl im
Umgang mit der mehrheitlich evangelischen Stadtbevölkerung, vor allem dem
Bautzener Stadtrat. Kontroverstheologische Themen auf der Kanzel der seit der
Mitte des 16. Jahrhunderts simultan evangelisch und katholisch genutzten
Stiftskirche St. Petri zu Bautzen zu diskutieren, war ebenfalls ungeschickt. In
deutlich ruhigeres Fahrwasser kam das D. erst, als man ab der 2. Hälfte des 17.
Jahrhunderts wiederholt Einheimische zu Dekanen wählte, vielfach Bauernsöhne aus
den sorbisch-katholischen Dörfern zwischen Bautzen und Kamenz. Die Verwurzelung
in der
Die grund- und gerichtsherrlichen Rechte des Stiftes waren durch die reformatorischen
Veränderungen nicht angetastet worden. So konnten auch die wirtschaftlichen
Grundlagen des Bautzener Stiftes weiter ausgebaut werden. Im 18. Jahrhundert
gelang es dem D., die Stadt
Ebenfalls im 18. Jahrhundert wurden dem Bautzener Dekan und
Jurij Łusčanski; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
In gewisser Weise war die Apostolische Administratur der Lausitz eine territorial beschränkte
Nachfolgerin des in der Reformationszeit untergegangenen Meißner Bistums. Schon
seit dem Spätmittelalter nannte man das Kollegiatstift auch „Domstift“ und die
Kapitelkirche „Dom“, freilich kirchenrechtlich nicht exakt. Die gravierenden
gesellschaftlichen, politischen und auch kirchlichen Veränderungen nach
Der Sorbe
Lit.: F. Příhonsky: Statuten des Collegiatstiftes St. Petri zu Budissin, in ihrer Entstehung und Fortbildung, Bautzen 1858; F. Schwarzbach: Geschichte der Kollegiatkirche und des Kollegiatstiftes St. Petri zu Bautzen im Mittelalter, Görlitz 1929; U. Spyra/B. Mitzscherlich (Bearb.): Katalog der Handschriften der Domstiftsbibliothek Bautzen, Leipzig 2012; H. Kinne (Bearb.): Das (Exemte) Bistum Meissen. Teil 1: Das Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen von der Gründung bis 1569, Berlin u. a. 2014.
Anmerkung: Der Artikel wurde für die Publikation im Modul Kulturlexikon DIGITAL auf der Plattform SORABICON neu verfasst; er entspricht nicht der Fassung im gedruckten Sorbischen Kulturlexikon von 2014.