Einrichtungen zur systematischen Sammlung, Erhaltung, Aufbewahrung und Nutzung von Büchern.
Früheste Aufbewahrungsorte sorbischer Bücher waren evangelische Pfarrbüchereien
in der Ober- und Niederlausitz. Die erste systematische Sammlung sorbischer
Drucke trug bis 1748 der Pastor Kryšan Bjedrich
Faber in Klix
zusammen und übereignete sie der Bautzener Ratsbibliothek; sie ist – mit einigen
Lücken – noch heute in der Stadtbibliothek vorhanden. Zur gleichen Zeit, 1740,
überschrieb der Diakon der Michaeliskirche in Bautzen und Herausgeber religiöser Schriften Jan Pjech seine Privatbibliothek und ein
kleines Vermögen zum Kauf von erbaulichen Büchern seiner Pfarrgemeinde und schuf
eine öffentliche sorbische Bibliothek; sie wurde jedoch Opfer der
Kriegszerstörungen im April 1945.
Frühe sorbische Drucke sammelten auch entferntere Bibliotheken jener Zeit, z. B. die
Ratsbibliothek in Zwickau, die
Herzogliche Bibliothek in Wolfenbüttel oder die British Library in London. In der Niederlausitz ist, bedingt
durch gezielte Eliminierung 1767 (→ Dezemberreskript), von den relativ vielen frühen sorbischen
Drucken in Bibliotheken und Archiven kaum etwas erhalten.
Die für die sorbische Kulturgeschichte interessanteste Bibliothek trug Ende des 18. Jh.
Fabers Enkel Bohačesć Bjedrich Ponich
(Pannach) zusammen – sie umfasste mit Dubletten ca. 180 Bücher. Ihm gelang es,
einige der seltenen frühen Drucke aus der Niederlausitz aufzutreiben. Pfarrer
Handrij Lubjenski kaufte 1827 die
„Pannachsche Bibliothek“ für die Leipziger Wendische
Predigergesellschaft. Auf Anraten Handrij Zejlers blieb sie in der
Bautzener Michaeliskirche, bis sie um 1925 von der Burschenschaft Sorabia nach
Leipzig geholt wurde. Ein Teil
wurde 1945 einer Trophäenbrigade der Roten Armee übergeben und tauchte 1999 bei
einem Moskauer Händler auf, ein anderer Teil wurde Ende der 1950er Jahre
antiquarisch veräußert.
Im Zusammenhang mit dem 50. Jubiläum der Leipziger Predigergesellschaft wurde 1766 mit
Geldern früherer Mitglieder die erste sorbische Vereinsbibliothek gegründet.
Ähnliche studentische Vereinsbibliotheken entstanden in der ersten Hälfte des
19. Jh. in Breslau/heute: Wrocław
(Polen), Prag (→ Hórnik-Bibliothek) und am Bautzener Gymnasium. Letztere spielte in der
Zeit der nationalen Wiedergeburt eine
mobilisierende Rolle. 1839 besuchte der Slowake Ľudovit Štúr Bautzen und warb daraufhin in Böhmen und Ungarn um
Unterstützung der Sorben mit slawischer Literatur.
Die v. a. aus Schenkungen entstandene Bibliothek des Bautzener Wendischen
Gymnasialvereins mit mehreren Hundert sorbischen, tschechischen, polnischen,
russischen, serbischen und die Slawen betreffenden deutschen Büchern regte 1842
Jan Pětr Jordan an, eine sorbisch-slawische „Zentralbibliothek“ am Gymnasium in
Bautzen zu bilden, die nach dem Prinzip einer Lesegesellschaft – mit Formen des
Gemeinschaftsabonnements und des Umlauflesezirkels – funktionieren sollte. In
Breslau ist ein solcher Bücheraustausch unter den Studentenvereinigungen belegt.
Deren eigene Bibliothek wurde 1851 in die Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften nach Görlitz überführt, die Bibliothek des
Wendischen Gymnasialvereins wurde von den im Gymnasium untergebrachten
Flüchtlingen im Winter 1945/46 als Heizmaterial verbrannt.
Als nationale Bibliothek mit Archivfunktion entstand 1846 die Bibliothek der Maćica
Serbska. Die Niederlausitzer Abteilung der Maćica Serbska in
Cottbus trug seit 1906 aus
Schenkungen eine bescheidene Sammlung niedersorbischer Literatur zusammen. Nach
1933 wurde sie privat untergebracht, etwa 1941 von den NS-Behörden entdeckt und
schließlich konfisziert. Sorbische Buchbestände fanden seit Mitte des 19. Jh. in
der sächsischen Oberlausitz auch Eingang in Schulbibliotheken. Diese Bestände
wie auch die der kleinen Bibliotheken sorbischer Dorf- und Gesangvereine (→ Vereinswesen) wurden nach 1941
von den Behörden systematisch vernichtet.
Beachtliche Sorabica-Sammlungen entstanden an zahlreichen deutschen und slawischen
Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Museen. Weit über einen Grundbestand
von Grammatiken, Wörterbüchern und frühen
religiösen Schriften hinausgehen die „Lausitzer Abteilung“ der 1818 gegründeten
Bibliothek des Nationalmuseums (Knihovna Národního musea) und die systematischen
(auch antiquarischen) Neuerwerbungen der Slawischen Bibliothek (Slovanská
knihovna) in Prag. Auch die
Nationalbibliothek in Prag, die Universitätsbibliotheken in Krakau und Wrocław sowie die
Staatsbibliothek zu Berlin –
Preußischer Kulturbesitz haben historische sorabistische Bestände. Aus dem
bibliothekarischen Nachlass russischer Slawisten und Lausitz-Reisender stammen
die in der Bibliothek der Russischen Akademie in St. Petersburg und der Staatlichen Historischen Bibliothek
Russlands in Moskau erhaltenen
Sorabica des 18. und 19. Jh.
Katalog der Sorabica in der Universitätsbibliothek Lwiw, 2001;
Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Angeregt von Korla Awgust Jenč, wuchs in der
Gymnasialbibliothek in Cottbus eine wertvolle Sammlung niedersorbischer Bücher,
die aber in den 1890er Jahren ausgesondert wurde. Kleine Bestände, mitunter
seltene Sorabica, befinden sich ferner in Archiven und Museen in Görlitz und
Zittau. Auch das Wendische Museum in Cottbus und
das Bautzener Sorbische Museum sammeln historische sorbische Buchbestände. Durch die
Übernahme der Exponate aus dem 1983 aufgelösten Museum des sorbischen
Schrifttums im Haus der
Sorben und weitere Ankäufe erreichte letztere nicht öffentliche
Bibliothek einen Bestand von 3 600 Bänden, darunter 287 historische Titel.
Bei der Erneuerung des sorbischen öffentlichen Lebens und der Institutionalisierung der
sorbischen Kultur nach 1945 entstand kein eigenes oder zentral geleitetes
sorbisches Bibliothekswesen. Die Funktion der ehemaligen Bibliothek der Maćica
Serbska übernahm 1949 die Sorbische Zentralbibliothek. So unterstützte sie Anfang der
1950er Jahre die Gründung der Bibliothek des Instituts für Sorabistik an der
Universität Leipzig und den Aufbau
einer Bibliothek an der Sorbischen Erweiterten Oberschule in Cottbus (dem
heutigen Niedersorbischen Gymnasium). In den folgenden Jahrzehnten ergänzten
zahlreiche Schul- und Dorfbibliotheken ihren Bestand durch sorbischsprachige
Werke, sonderten diese aber nach 1990 mangels Nachfrage oft wieder aus.
1991 entstand im Wendischen Haus in
Cottbus eine neue Niedersorbische Bibliothek, betreut von der Stadt- und
Regionalbibliothek Cottbus. Gute Studienmöglichkeiten bietet die sorabistische
Büchersammlung, die nach 1993 an der Bibliothek der National-Universität in
Lwiw (Ukraine) durch den Erwerb
sorabistischer Kollektionen dortiger Professoren und Künstler sowie durch
zahlreiche Neuanschaffungen entstand. Neu ist auch die sorbische Sammlung in der
Stadtbibliothek von Varnsdorf
(Tschechien). Das komplette Sortiment sorbischer Literatur nach 1945 ist in der
Deutschen Bücherei in Leipzig, in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und
Universitätsbibliothek Dresden
(SLUB), teilweise in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (pflichtexemplarberechtigte
Bibliotheken) vorhanden.
Lit.: E.-M. Zschornack: Zur Entwicklung des sorbischen Bibliothekswesens, dargestellt an
ausgewählten Bibliotheken, in: Serbska šula (1980) 11, Beilage, Dokumentacija;
Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Hg. B. Fabian, Hildesheim
1992–2003.