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Schwank
von Susanne Hose

Kurze humorvolle Erzählung über komische Begebenheiten, menschliche Unzulänglichkeiten oder gesellschaftliche Deformationen, z. T. mit derb- drastischem Inhalt. Der ober- wie niedersorbische Begriff směšk rührt von směch ,Spott, Hohn’, bzw. von obersorb. smjeć so, niedersorb. smjaś se ,lachen’, und verweist auf die Funktion des Schwanks, die von argloser Belustigung bis zur Bloßstellung und Verspottung reicht. Der Witz (sorb. žort) als die jüngere Kurzform des Schwanks ist für die Sorben im Vergleich zu anderen Minderheiten (wie der Ostfriesen oder der jüdische Witz) nicht typisch. Der episch etwas breiter gefasste und weniger straffe Schwank dagegen gehörte bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. zum lebendigen Erzählgut (→ Volksdichtung). Die von Mutterwitz und Bauernschläue zeugenden Pointen sowie die volkstümliche, auf das Wesentliche konzentrierte, meist dialektal gefärbte Sprache machen das Besondere der sorbischen Schwanküberlieferung aus.

Sammlung sorbischer Schwänke von Pawoł Nedo, 1956; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Der sorbische Schwank deckt die Abweichungen der Realität von der gesellschaftlichen Norm im kleinstädtischen und bäuerlichen Milieu des ausgehenden 19. und 20. Jh. auf. Anders als das Märchen besitzt der Schwank einen starken Bezug zur Wirklichkeit. Seine Komik resultiert aus dem Missverhältnis von Schein und Sein: Nicht der Bauer, sondern die Bäuerin ist die Herrin im Hause, der Scheinheilige ist in amouröse Abenteuer verstrickt, der ungebildete Dorfbewohner haut den Städter übers Ohr. Die handelnden Personen werden, selbst wenn sie namentlich benannt sind („stary Šuster“, „Suchec Mots“, „Plundrakojc Mato“), zu sozialen Typen (der pfiffige Heide- oder Spreewaldbauer, der überhebliche Verwalter, das zänkische Weib) und bestimmten Charakteren (der Dumme, der Schelm, der Geizhals, die Naive). Spannungen und Konflikte bilden die wesentlichen Ausgangspunkte und Themen, z. B. Streitigkeiten zwischen Mann und Frau, Zwietracht unter Nachbarn, Auseinandersetzungen zwischen der Obrigkeit und ihren Untertanen oder Differenzen zwischen der „zivilisierten“ Stadt und dem „unzivilisierten“ Land. Die Schwänke über die verbalen Konfrontationen zwischen sorbischen Bauern und deutschen Bürgern mit positivem Ausgang für den sozial Unterlegenen können als eine Reaktion auf die Kultivierungsversuche durch das Bildungsbürgertum interpretiert werden. Eine eigene thematische Gruppe ergibt sich aus dem Nebeneinander der sorbischen und der deutschen Sprache, das zu amüsanten Missverständnissen führt.

Viele Schwankmotive fußen auf einem allgemein verbreiteten Wandergut, das gemeinsam mit dem im 16. Jh. aufkommenden deutschen Prosa-Schwank (Till Eulenspiegel, Das Lalebuch) mittelbar auf die sorbische Tradition gewirkt hat. Auffällige Ähnlichkeiten ergeben sich z. B. zwischen den deutschen Schildbürgern und den sorbischen Saalauern (sorb. Salowčenjo). Die Ortsschwänke als traditionelle thematische Gruppe bilden den Ausgangspunkt für die Überlieferung stereotyper Vorstellungen über ganze Ortschaften, die einzelne Gegebenheiten zu typischen Charakteren apostrophieren. So weiß man im (für seinen Viehmarkt bekannten) Wittichenau seinen alten Klepper gegen einen jungen Hengst einzutauschen, im unmittelbar neben evangelischen Gemeinden liegenden katholischen Radibor ist man so fromm, dass man das ganze Jahr Feiertag hat, und im deutschen Weberdorf Cunewalde steckt man die kleinen Kinder auf lange Latten, um ihnen über den Czorneboh hinweg die nördlich liegenden sorbischen Dörfer zu zeigen, in die sie später betteln gehen sollen.

Die an der Folklore interessierten Volksforscher des 19. Und frühen 20. Jh. befassten sich im Vergleich zu Volkslied, Märchen, Sage und Sprichwort relativ selten mit dem Schwank, was mehrere Ursachen hat. Aufgrund seines engen Wirklichkeitsbezugs hob er sich nicht deutlich von den Alltagserzählungen (wie dem Dorfklatsch) ab und wurde daher nicht als eigenständige Gattung der Volksdichtung angesehen. Hinzu kamen moralische Bedenken wegen seiner vielfach derb-vulgären Komik. Und schließlich entfaltet der Schwank seinen poetischen Reiz vorrangig durch das lebendige Erzählen in gelöster Stimmung, was die Aufzeichnungen nicht adäquat wiedergeben können.

Die Leipziger Studenten um Handrij Zejler nahmen in ihre handschriftliche Zeitung „Sserska/​Serbska Nowina“ (Sorbische Zeitung) auch humoristisches Erzählgut auf, ebenso Wilibald von Schulenburg und Edmund Veckenstedt in ihren Märchen- und Sageneditionen. Einiges Material erschien in den humoristischen Spalten der Kalender und Zeitschriften, v. a. unter der Redaktion von Ota Wićaz. Von der Lebendigkeit der Überlieferung zeugen die für sprachwissenschaftliche Untersuchungen in den 1950er Jahren vorgenommenen Tonbandaufnahmen. Pawoł Nedo trug das verstreut publizierte Material zusammen und brachte es mit einigen eigenen Einträgen in den Bändchen „Serbski směch. Směški a tryski z luda“ (1956, „Lachende Lausitz. Sorbische Volksschwänke“, 1957) heraus (überarbeitete Neuauflage „Wóslace hnězdo“, 1983, „Das Eselsnest“, 1983). Die Erzähler von Schwänken, die Nedo in seinen Untersuchungen zur sorbischen Volksdichtung nennt, waren oft Bauern, Steinbrecher und Dorfhandwerker. In der Niederlausitz zeichnete besonders Wylem Bjero humorvolle Erzählungen aus dem Volksmund auf, wovon der unter seiner Redaktion stehende „Nowy Casnik“ und die „Pratyja“ profitierten. Seine Sammlung floss zusammen mit älterem Material in die Ausgabe „Surowa štrofa“ (Grausame Strafe, 1973) ein (obersorb. „Zjebany skupc“, Der betrogene Geizhals, 1984). Ausschließlich auf schriftliche Quellen stützte sich Werner Měškank in „Njaboga pata“ (Die tote Glucke, 1992). Schriftsteller wie Mikławš Bjedrich-Radlubin, Jan Wornar und Kito Lorenc nutzten Motive aus dem traditionellen komischen Erzählgut für humoristische Dorfgeschichten oder satirische Bühnenstücke.

Lit.: S. Neumann: Schwank und Witz, in: Lětopis C 6/7 (1963/64); S. Hose: Schwänke, Anekdoten, Arbeitserinnerungen komischen Inhalts, in: Homo narrans. Studien zur populären Erzählkultur, Hg. Ch. Schmitt, Münster/​New York/​München/​Berlin 1999; S. Hose: Geschichten über Weißenberger, Salower und Schildauer, in: Erzählen zwischen den Kulturen, Hg. S. Wienker-Piepho/​K. Roth, Münster 2004; H. Bausinger: Schwank, in: Enzyklopädie des Märchens, Band 12, Berlin/​New York 2007.

Metadaten

Titel
Schwank
Titel
Schwank
Autor:in
Hose, Susanne
Autor:in
Hose, Susanne
Schlagwörter
Volksdichtung; Erzählung; Schwank; Witz
Schlagwörter
Volksdichtung; Erzählung; Schwank; Witz
Abstract

Kurze humorvolle Erzählung über komische Begebenheiten, menschliche Unzulänglichkeiten oder gesellschaftliche Deformationen, z. T. mit derb- drastischem Inhalt.

Abstract

Kurze humorvolle Erzählung über komische Begebenheiten, menschliche Unzulänglichkeiten oder gesellschaftliche Deformationen, z. T. mit derb- drastischem Inhalt.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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