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Wassermann
von Susanne Hose

Sagengestalt, über deren Wirken in den sorbischen Sagen besonders vielfältig berichtet wird. Der Volksglaube an die Existenz des Wassermanns ist für eine mit Flüssen, Bächen, Teichen und Tümpeln so reich ausgestattete Landschaft wie die Lausitz durchaus typisch. So erklärt sich auch die Überlieferungsdichte von Erzählungen über den wódny muž (obersorb.) in den Dörfern nördlich von Bautzen, in der Umgebung von Wittichenau, im Hoyerswerdaer Land und der Schleifer Region (dort auch hodrnyks genannt) sowie im Spreewald (niedersorb. nyks, nykus). Die deutsche Bezeichnung „wazzernixe“ ist erstmals bei Konrad von Würzburg Ende des 13. Jh. belegt. Die noch Mitte des 20. Jh. in der Lausitz lebendigen Erzählungen widerspiegeln eine hohe Affinität der Bewohner zu den Wassergeistern, denen man menschenähnliche Wesenszüge und Musikliebe nachsagt: Sie bilden Familien, für deren Unterhalt sie sorgen, und wohnen in einem vertrauten Lebensraum in der Nachbarschaft.

Darstellung des Wassermanns bei einem Festumzug auf dem Domowina-Volkstreffen 1934; Sorbisches Kulturarchiv am am Sorbischen Institut

Der Wassermann zählt zu den Naturdämonen und kann mehrere Gestalten annehmen, etwa die von Fischen (v. a. Karpfen und Hecht) oder von Haustieren (schwarzer Kater, Kalb, weiße Ente oder Gans). Meist erscheint er jedoch in menschlicher Gestalt: oft als nacktes oder weiß bekleidetes Kind, als scheues, krummbeiniges Männlein mit langen grünlichen Haaren, die strähnig unter einer roten Mütze herabhängen, oder unauffällig in bäuerlicher Kleidung mit nassem Rocksaum. Er brabbelt ein undeutliches deutsch-sorbisches Sprachengemisch und ärgert namentlich Müller und Fischer durch allerlei Schabernack. Insgesamt besitzt der Wassermann kaum monsterhafte Züge, sondern wird eher als ambivalentes Wesen aus einer Parallelwelt wahrgenommen, dem man mit Vorsicht begegnen sollte. Einerseits tritt er als mythischer Gläubiger auf, leiht Armen Geld oder hindert unglückliche Menschen am Selbstmord. Andererseits zieht er Unachtsame, die zu nahe am Wasser gehen oder ihn gar verspotten, gnadenlos in die Fluten. Weil Flüsse, Seen und Teiche eine große Gefahr für Kinder darstellen, setzte sich die Annahme durch, der Wassermann habe es gerade auf sie abgesehen. Für die in der tschechischen, polnischen und schlesischen Überlieferung verbreitete Auffassung, der Wassermann würde in seiner Wohnung menschliche Seelen unter Töpfen gefangen halten, gibt es im Sorbischen kaum Belege. Bekannter ist hier das Motiv der Geburtshilfe bei den Wassergeistern, das bereits Martin Luther in seinen „Tischreden“ (1571) erwähnte.

Wassermannskulptur von Peter Buths vor dem Wendischen Museum Cottbus; Fotograf: Rafael Ledschbor

Seine eigenen Kinder, meist Töchter, fallen durch ihre Schönheit und Geschmeidigkeit beim Tanz auf. Auch sie erkennt man am nassen Kleidersaum bzw. an den feuchten Spuren, die sie hinterlassen, wenn sie pünktlich vor Mitternacht nach Hause verschwinden. Wie alle Dämonen scheuen sie Kirchenglocken. Die Söhne des Wassermanns suchen unter den Dorfschönen ihre künftigen Partnerinnen, doch endet das zunächst harmlose Werben oft mit einer Entführung des Mädchens. Es wird ins Wasserreich verschleppt und darf erst nach langer Zeit und unter Vorbehalten zu Besuch ins Dorf zurück. Die Strafen für nicht eingehaltene Abmachungen sind oft unangemessen grausam. Menschen, die die Grenzen zur anderen Welt überschreiten und in den Dienst des Wassermanns treten, verlieren das Gefühl für die Zeit oder werden mit Dingen belohnt, deren wahren Wert sie nicht gleich erkennen oder über die sie nicht sprechen dürfen.

Am Beispiel der sorbischen Wassermannsagen zeigt sich der Prozess der Entmagisierung von Naturmythen. Mit dem Wissen um die Kräfte der Natur schwindet die Angst vor dem Übersinnlichen und Dämonischen. Im Gegenzug wächst die ästhetische Bedeutung der Erzählungen, die seit Mitte des 19. Jh. zum Unterhaltungsstoff wurden. 1895 erschien das Singspiel „Wodźan“ (Der Wassermann) von Handrij Dučman und Korla Awgust Kocor, das den Einfluss des tschechischen Dichters und Märchensammlers Karel Jaromír Erben spüren lässt. In der sorbischen Bildenden Kunst hat Měrćin Nowak-Njechorński die Vorstellung von der Gestalt geprägt. In der Kinder- und Jugendliteratur wurde der Wassermann zum hilfsbereiten, drolligen Geist, in der modernen Literatur symbolisiert er das unerkannt Bedrohliche ebenso wie die zerstörte Umwelt oder das Sorbisch-Folkloristische, z. B. in Angela Stachowas Erzählung: „Dótknjenje“ (1980, „Die Berührung“, 1981).

Lit.: A. Černý: Mythiske bytosće łužiskich Serbow, Budyšin 1898; I. Gardoš: Der Wassermann und seine Frau im sorbischen Sagengut, in: Lětopis C 18 (1975); L Petzoldt: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister, 3. Aufl., München 2003; Ch. Prunitsch: Der Wassermann als Kulturfunktionär, in: Im Wettstreit der Werte. Sorbische Sprache, Kultur und Identität auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, Hg. D. Scholze, Bautzen 2003.

Metadaten

Titel
Wassermann
Titel
Wassermann
Autor:in
Hose, Susanne
Autor:in
Hose, Susanne
Schlagwörter
Sage; Sagengestalt; Dämon; Bildende Kunst; Kinder- und Jugendliteratur; Literatur; Nix; Wassergeist
Schlagwörter
Sage; Sagengestalt; Dämon; Bildende Kunst; Kinder- und Jugendliteratur; Literatur; Nix; Wassergeist
Abstract

Sagengestalt, über deren Wirken in den sorbischen Sagen besonders vielfältig berichtet wird. Der Volksglaube an die Existenz des Wassermanns ist für eine mit Flüssen, Bächen, Teichen und Tümpeln so reich ausgestattete Landschaft wie die Lausitz durchaus typisch.

Abstract

Sagengestalt, über deren Wirken in den sorbischen Sagen besonders vielfältig berichtet wird. Der Volksglaube an die Existenz des Wassermanns ist für eine mit Flüssen, Bächen, Teichen und Tümpeln so reich ausgestattete Landschaft wie die Lausitz durchaus typisch.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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