Sagengestalt, über deren Wirken in den sorbischen
Darstellung des Wassermanns bei einem Festumzug auf dem Domowina-Volkstreffen 1934; Sorbisches Kulturarchiv am am Sorbischen Institut
Der Wassermann zählt zu den Naturdämonen und kann mehrere Gestalten annehmen, etwa die von
Fischen (v. a. Karpfen und Hecht) oder von Haustieren (schwarzer Kater, Kalb,
weiße Ente oder Gans). Meist erscheint er jedoch in menschlicher Gestalt: oft
als nacktes oder weiß bekleidetes Kind, als scheues, krummbeiniges Männlein mit
langen grünlichen Haaren, die strähnig unter einer roten Mütze herabhängen, oder
unauffällig in bäuerlicher Kleidung mit nassem Rocksaum. Er brabbelt ein
undeutliches deutsch-sorbisches Sprachengemisch und ärgert namentlich Müller und
Fischer durch allerlei Schabernack. Insgesamt besitzt der Wassermann kaum
monsterhafte Züge, sondern wird eher als ambivalentes Wesen aus einer
Parallelwelt wahrgenommen, dem man mit Vorsicht begegnen sollte. Einerseits
tritt er als mythischer Gläubiger auf, leiht Armen Geld oder hindert
unglückliche Menschen am Selbstmord. Andererseits zieht er Unachtsame, die zu
nahe am Wasser gehen oder ihn gar verspotten, gnadenlos in die Fluten. Weil
Flüsse, Seen und Teiche eine große Gefahr für Kinder darstellen, setzte sich die
Annahme durch, der Wassermann habe es gerade auf sie abgesehen. Für die in der
tschechischen, polnischen und schlesischen Überlieferung verbreitete Auffassung,
der Wassermann würde in seiner Wohnung menschliche Seelen unter Töpfen gefangen
halten, gibt es im Sorbischen kaum Belege. Bekannter ist hier das Motiv der
Geburtshilfe bei den Wassergeistern, das bereits
Wassermannskulptur von Peter Buths vor dem Wendischen Museum Cottbus; Fotograf: Rafael Ledschbor
Seine eigenen Kinder, meist Töchter, fallen durch ihre Schönheit und Geschmeidigkeit beim Tanz auf. Auch sie erkennt man am nassen Kleidersaum bzw. an den feuchten Spuren, die sie hinterlassen, wenn sie pünktlich vor Mitternacht nach Hause verschwinden. Wie alle Dämonen scheuen sie Kirchenglocken. Die Söhne des Wassermanns suchen unter den Dorfschönen ihre künftigen Partnerinnen, doch endet das zunächst harmlose Werben oft mit einer Entführung des Mädchens. Es wird ins Wasserreich verschleppt und darf erst nach langer Zeit und unter Vorbehalten zu Besuch ins Dorf zurück. Die Strafen für nicht eingehaltene Abmachungen sind oft unangemessen grausam. Menschen, die die Grenzen zur anderen Welt überschreiten und in den Dienst des Wassermanns treten, verlieren das Gefühl für die Zeit oder werden mit Dingen belohnt, deren wahren Wert sie nicht gleich erkennen oder über die sie nicht sprechen dürfen.
Am Beispiel der sorbischen Wassermannsagen zeigt sich der Prozess der Entmagisierung von
Naturmythen. Mit dem Wissen um die Kräfte der Natur schwindet die Angst vor dem
Übersinnlichen und Dämonischen. Im Gegenzug wächst die ästhetische Bedeutung der
Erzählungen, die seit Mitte des 19. Jh. zum Unterhaltungsstoff wurden. 1895
erschien das Singspiel „Wodźan“ (Der Wassermann) von
Lit.: A. Černý: Mythiske bytosće łužiskich Serbow, Budyšin 1898; I. Gardoš: Der Wassermann und seine Frau im sorbischen Sagengut, in: Lětopis C 18 (1975); L Petzoldt: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister, 3. Aufl., München 2003; Ch. Prunitsch: Der Wassermann als Kulturfunktionär, in: Im Wettstreit der Werte. Sorbische Sprache, Kultur und Identität auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, Hg. D. Scholze, Bautzen 2003.
Metadaten
Sagengestalt, über deren Wirken in den sorbischen Sagen besonders vielfältig berichtet wird. Der Volksglaube an die Existenz des Wassermanns ist für eine mit Flüssen, Bächen, Teichen und Tümpeln so reich ausgestattete Landschaft wie die Lausitz durchaus typisch.
Sagengestalt, über deren Wirken in den sorbischen Sagen besonders vielfältig berichtet wird. Der Volksglaube an die Existenz des Wassermanns ist für eine mit Flüssen, Bächen, Teichen und Tümpeln so reich ausgestattete Landschaft wie die Lausitz durchaus typisch.