XS
SM
MD
LG
XL
XXL
🌐
Deutsch-Sorbisches Volks­theater
von Dietrich Scholze

Einziges zweisprachiges Berufstheater Deutschlands mit Sitz in Bautzen. Es entstand am 2.8.1963 durch Zusammenschluss des Stadttheaters Bautzen (gegründet 1796) und des Sorbischen Volkstheaters (Serbske ludowe dźiwadło). Letzteres wurde im Ergebnis des ersten Sorbengesetzes am 13.10.1948 als professionelle Theatervereinigung ohne feste Spielstätte gebildet. Unter dem ersten Intendanten Jan Krawc (bis zu dessen politisch motiviertem Weggang 1958) konzentrierte sich die Wanderbühne, die in Bautzen lediglich ein Funktionsgebäude besaß, auf Komödien aus der deutschen und internationalen Literatur sowie aus der sorbischen Laienspieltradition (→ Theater). Der zweite Intendant Jurij Wuješ (1958–1963) erhöhte den Anteil von Stücken aus der Weltdramatik im Repertoire. Am 1.1.1961 schloss sich dem Ensemble die zweisprachige private Marionettenbühne Ritscher (Ryćer) an, die vornehmlich für Kinder spielte.

Großes Haus in den Schilleranlagen in Bautzen; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Nach Vereinigung der beiden Theater zum Deutsch-Sorbisches Volkstheater wurden im Stammhaus am Bautzener Lauengraben – mit dem kunsthistorisch wertvollen Rietschelgiebel – Schauspiel, Musiktheater und Ballett angeboten; die Puppenbühne war gesondert untergebracht. Im Gebäude der ehemaligen „Sozietät“ an der Seminarstraße wurde im Oktober 1963 eine Kammerbühne eröffnet. Sie erhielt nach Schließung und Abriss des historischen Hauptgebäudes (Ende der 1960er Jahre) im Mai 1975 einen Neubau mit großer Bühne und Zuschauerraum (damals 460 Plätze). Im September 2003 wurde an der Ortenburg das „Bautzener Burgtheater“ als Puppen-, Kinder- und Jugendtheater mit zwei Sälen eingeweiht, wo auch die kleine dramatische Form gepflegt wird. Mit seiner Infrastruktur dient es zugleich als Basis für das seit 1996 stattfindende mehrwöchige Sommertheater im Burghof. Nach umfangreicher Rekonstruktion steht seit 2006 das Haupthaus mit neuer technischer Ausstattung sowie einem Bühnenturm zur Verfügung (390 Plätze). Als Intendanten bzw. in weiteren Funktionen wirken deutsche wie sorbische Theaterleute. Etwa die Hälfte der 20–25 engagierten Schauspieler kann zweisprachig eingesetzt werden.

Kleines Haus (Burgtheater) auf der Bautzener Ortenburg; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Das Deutsch-Sorbische Volkstheater zeigt seit den 1970er Jahren – neben seinen mehrheitlich deutschsprachigen Produktionen (das Verhältnis beträgt etwa 4 : 1) – pro Spielzeit im Schnitt drei Inszenierungen auf Obersorbisch und eine auf Niedersorbisch, dazu gelegentlich ein Kinder- bzw. Puppenstück. Das quantitativ geringe sorbische Dramenreservoir (→ Dramatik) zwingt permanent zu Übersetzungen, wobei die slawischen Literaturen bevorzugt werden. Für einen Teil des sorbischsprachigen Programms erfolgt weiterhin ein Tourneebetrieb innerhalb der Oberlausitz sowie (jeweils im Frühjahr) in der Niederlausitz. Das Deutsch-Sorbische Volkstheater betreut ständig ein sorbisches Kinder- und ein Jugendtheater, es unterstützt mehrere Amateurbühnen auf den Dörfern. Eigene sorbische Musiktheaterproduktionen, ab 1993 nach dem Stagione-Prinzip angeboten, stellte es im Sommer 1999 aus Kostengründen ein. Praktiziert wird dafür eine Kooperation mit dem Sorbischen National-Ensemble, namentlich bei Projekten mit Musik, Gesang und Tanz, sowie ein Austausch mit dem Theater Görlitz/Zittau (seit 2010 vereinigt).

Das Deutsch-Sorbische Volkstheater, seit 1996 Eigenbetrieb des Landkreises Bautzen, wird anteilig durch die Stiftung für das sorbische Volk, den Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien und die Stadt Bautzen als Sitzgemeinde finanziert. Es zählt pro Spielzeit 5 000–8 000 sorbische und bis zu 150 000 deutsche Zuschauer.

Intendanten: Eberhard Sprink (1963–1966), Jurij Wuješ (1966/67), Alfred Lübke (1967–1979), Bjarnat Nowak (1979–1983), Jörg Liljeberg (1984–1990), Cosima Stracke-Nawka (1990/91), Michael Grosse (1991–1996), Reinhard Hellmann (1996–1998), Lutz Hillmann (seit 1998).

Lit.: M. Brankatschk: 200 Jahre Theater Bautzen, Bautzen [1996]; D. Scholze: Die sorbische Berufsbühne vor und nach der Wende, in: Bühne und Öffentlichkeit. Drama und Theater im Spät- und Postsozialismus, Hg. N. Franz/​H. Schmid, München 2002; J. Młynk/​D. Scholze: Stawizny serbskeho dźiwadła 1862–2002, Bautzen 2003.

Metadaten

Titel
Deutsch-Sorbisches Volks­theater
Titel
Deutsch-Sorbisches Volks­theater
Autor:in
Scholze, Dietrich
Autor:in
Scholze, Dietrich
Schlagwörter
Ballett; Berufstheater; Bühne; Deutsch; Sorbische Sprache(n); Dramatik; Intendant; Musiktheater; Theater; Schauspiel
Schlagwörter
Ballett; Berufstheater; Bühne; Deutsch; Sorbische Sprache(n); Dramatik; Intendant; Musiktheater; Theater; Schauspiel
Abstract

Einziges zweisprachiges Berufstheater Deutschlands mit Sitz in Bautzen. Es entstand am 2.8.1963 durch Zusammenschluss des Stadttheaters Bautzen (gegründet 1796) und des Sorbischen Volkstheaters (obersorb. Serbske ludowe dźiwadło).

Abstract

Einziges zweisprachiges Berufstheater Deutschlands mit Sitz in Bautzen. Es entstand am 2.8.1963 durch Zusammenschluss des Stadttheaters Bautzen (gegründet 1796) und des Sorbischen Volkstheaters (obersorb. Serbske ludowe dźiwadło).

Enthalten in Sammlung
Enthalten in Sammlung
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

Entdecke mehr

Sprachkultur
Industriali­sierung
Minder­heiten­politik
Nationale Wiedergeburt
Kollekti­vierung der Land­wirt­schaft
Wendische Kirchen