Überführung von Privateigentum an landwirtschaftlichem Besitz in Gemeineigentum, im engeren Sinne die Bildung von juristisch selbstständigen Produktionsgenossenschaften (LPGs) in der DDR der 1950er Jahre. Es gehörte zur sozialistischen Ideologie, das private Landeigentum in kollektiven Besitz umzuwandeln und gemeinschaftlich bewirtschaften zu lassen. Ziel war die Schaffung genossenschaftlicher Großbetriebe. Ab Juli 1952 gab die SED mit dem Beschluss der 2. Parteikonferenz über den „Aufbau des Sozialismus“ der Bildung von Produktionsgenossenschaften ihre generelle Unterstützung.
Freundschaftsvertrag zwischen der Bau-Union Bautzen und der LPG Wurschen, 1953; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Sorbische Bauern der Gemeinde
LPG „Neue Zeit – Nowy čas“ in Cölln, 1954; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Verlauf und Ergebnisse der Kollektivierung der Landwirtschaft in den zweisprachigen Dörfern
beider Lausitzen bestätigen trotz regionaler Besonderheiten die Typik dieses
Entwicklungsabschnitts im ländlichen Raum der DDR. Die Genossenschaftsbildung
begann zögerlich und brachte zunächst nur geringe Erfolge. Ab Februar 1953
sollten die LPG-Gründungen forciert werden. Doch die Einzelbauern setzten den
Werbern hartnäckigen Widerstand entgegen, der in den Junitagen 1953 einen ersten
Höhepunkt erreichte. Die Polizei registrierte im zweisprachigen Gebiet „eine
beunruhigende Stimmungsmache gegen die Regierung der DDR“. In vielen Dörfern der
Nach Jahren der Zurückhaltung nahmen ab 1958, infolge von Beschlüssen des V. Parteitags der SED, die politischen Zwangsmaßnahmen gegenüber den Bauern wieder zu. Die entscheidende Phase der Kollektivierung der Landwirtschaft begann Anfang 1960. Mit Unterstützung von Parteien und Organisationen entsandte die SED zahlreiche Agitatoren aufs Land, darunter Mitarbeiter sorbischer Institutionen und der Domowina. Dies trug zu einer Verschärfung des Konflikts zwischen Bauern und Funktionären bei. Im Frühjahr 1960 registrierten die staatlichen Sicherheitsbehörden an einigen Orten „eine Zunahme krimineller Delikte“. Doch es kam nur selten zum offenen Widerstand. Meist protestierten die Bauern mit anonymen Beschwerden oder beschädigten Transparente, die für die LPGs werben sollten. In der zweisprachigen Region machte sich überdies der Einfluss der Kirchen geltend.
Sorbische Pfarrer betonten in ihren Predigten die Unvereinbarkeit der Kollektivierung der Landwirtschaft mit dem christlichen Glauben und dem Recht auf Eigentum. Zahlreiche Forderungen der Bauern, etwa die Garantie auf Einhaltung kirchlicher Feiertage in den LPG-Statuten, hatten ihren Grund in der religiösen Bindung der Landwirte. In einigen sorbischen katholischen Orten verlangten die Bauern, dass bei einem LPG-Eintritt ihre Kinder von der atheistischen Jugendweihe verschont und die Kruzifixe in den Schulen hängen bleiben müssten. Einzelne Bauern verließen infolge der politischen Repressalien ihre Höfe bzw. die DDR.
Rinderoffenstall der LPG Lehndorf, 1956; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Frauen in der Schleifer Region bei der Feldarbeit, um 1980; Fotograf: Gerhard Joppich, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Doch auch im deutsch-sorbischen Territorium der Bezirke
Die Kollektivierung der Landwirtschaft wirkte sich auch auf die Anwendung der
sorbischen Sprache unter den Dorfbewohnern aus. In den Einzelwirtschaften, wo
oft Familienangehörige mitarbeiteten, waren Arbeits- und Familiensprache
Sorbisch. Nach den LPG-Gründungen änderte sich in mancher Hinsicht die
Umgangssprache am Arbeitsplatz. Zunächst unterhielten sich die sorbischen Bauern
noch in ihrer Muttersprache. Doch später, nach Zusammenschlüssen mehrerer LPGs
zu größeren Einheiten der Tier- und Pflanzenproduktion, dominierte allmählich
das Deutsche. Beim Sprachwechsel spielte der regionale Faktor eine wesentliche
Rolle. Speziell am Rande des sorbischen Siedlungsgebiets kam es zu einem raschen
Wechsel vom Sorbischen zum Deutschen, die Minderheitssprache wurde in private
Nischen verdrängt. Eine Ausnahme bildete die
Lit.: Zwischen Bodenreform und Kollektivierung. Vor- und Frühgeschichte der „sozialistischen Landwirtschaft“ in der SBZ/DDR vom Kriegsende bis in die fünfziger Jahre, Hg. U. Kluge, Stuttgart 2001; A. Bauerkämper: Ländliche Gesellschaft in der kommunistischen Diktatur. Zwangsmodernisierung und Tradition in Brandenburg 1945 –1963, Köln/Weimar/Wien 2002; E. Pech: „Der sozialistische Frühling auf dem Lande“. Die Kollektivierung der Landwirtschaft in der zweisprachigen Oberlausitz, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 74/75 (2003/04); J. Schöne: Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft, Berlin 2005.
Metadaten
Überführung von Privateigentum an landwirtschaftlichem Besitz in Gemeineigentum, im engeren Sinne die Bildung von juristisch selbstständigen Produktionsgenossenschaften (LPGs) in der DDR der 1950er Jahre. Bauern der Gemeinde Kreckwitz im Kreis Bautzen gründeten Ende Juli 1952 die erste LPG in der deutsch-sorbischen Region.
Überführung von Privateigentum an landwirtschaftlichem Besitz in Gemeineigentum, im engeren Sinne die Bildung von juristisch selbstständigen Produktionsgenossenschaften (LPGs) in der DDR der 1950er Jahre. Bauern der Gemeinde Kreckwitz im Kreis Bautzen gründeten Ende Juli 1952 die erste LPG in der deutsch-sorbischen Region.