Im 18. Jh. in der Oberlausitz
entstandene private Einrichtungen zur Ausbildung von Volks- bzw.
Grundschullehrern. Derartige Seminare grĂŒndeten vom Pietismus
beeinflusste Adlige. 1737 errichtete Friedrich
Caspar von Gersdorff in Klix eine sog. Schulanstalt; sie sollte dem Mangel an Pfarrern,
Katecheten und Schulmeistern abhelfen. Das Seminar wurde 1743 nach Uhyst (Spree) und 1751, nach dem Tod
Gersdorffs, nach Niesky verlegt. Ein
Àhnliches Ziel verfolgte der ebenfalls pietistisch gesinnte sÀchsische
Kammerherr August Adolph von Below,
der 1746 in GroĂwelka eine
Schulanstalt fĂŒr die sorbische Bevölkerung grĂŒndete. 1793 richtete
Gymnasialdirektor Ludwig Gedicke in
Bautzen ein Privatseminar ein, in
dem er junge Leute auf den Lehrerberuf vorbereitete. Ein privates Lehrerseminar
grĂŒndete auch Burggraf Heinrich Ludwig zu
Dohna 1804 in Uhyst (Spree).
Seit dem letzten Drittel des 18. Jh. befassten sich sowohl die Oberlausitzer
StÀnde als auch Regierungsbehörden in Dresden und Bautzen
sowie Privatpersonen mit der Frage eines ĂŒberregionalen Seminars zur Hebung des
Niveaus der Schule in der Region. 1817 wurde das LandstÀndische Lehrerseminar in
Bautzen gegrĂŒndet, in den folgenden Jahrzehnten die wichtigste AusbildungsstĂ€tte
fĂŒr die sorbischen Lehrer der Oberlausitz. Bis 1851 wurden dort evangelische und
katholische Kandidaten unterrichtet, 1873 folgte ein weiteres Seminar in
Löbau.
Die Bautzener Studienordnung legte fest, dass von den zehn ausgeschriebenen Stipendien vier
an Sorben zu vergeben waren, wovon drei der evangelischen und einer der
katholischen Konfession angehören sollten. Diese Regelung galt bis 1830. Danach
spielten bei der Verteilung der Stipendien weder NationalitÀt noch Religion eine
Rolle, sondern lediglich die âintellektuelle WĂŒrdigkeitâ. 1834â1840 erhielten
die sorbischen evangelischen Zöglinge bei Pfarrer Handrij Lubjenski eine Ausbildung in ihrer Muttersprache. Alle
zwei Jahre fand ein halbjÀhriger Kurs mit je zwei Wochenstunden statt. Nach 1840
setzten einzelne Seminaristen diesen Unterricht fort; dazu grĂŒndeten sie
sorbische SchĂŒlervereinigungen. Schon 1836 wurde eine PrĂ€paranda als
Vorbereitungsanstalt fĂŒr sorbische Knaben geschaffen, um den anhaltenden
Lehrermangel zu beheben. Bis 1846 erhielten 55 aus Àrmeren Schichten stammende
Sorben eine materielle UnterstĂŒtzung vom sĂ€chsischen Kultusministerium. Dadurch
erhöhte sich der Anteil der ins Lehrerseminar aufgenommenen Sorben von vormals
30 auf ĂŒber 40âŻ%.
Studenten des LandstÀndischen Lehrerseminars in Bautzen, 1904;
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Lehrerseminar in Altdöbern, Postkarte, um 1910; Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Von 1817 bis 1851 hatten insgesamt 47 Katholiken das Bautzener Seminar besucht, darunter 15
Sorben. Trotzdem konnte der Bedarf an katholischen Lehrern nicht vollstÀndig
gedeckt werden. Daher ersuchte der Bischof das Ministerium um die Genehmigung,
in Bautzen ein eigenes Lehrerseminar grĂŒnden zu dĂŒrfen, was 1851 gestattet
wurde. Von Beginn an erhielten die sorbischen SchĂŒler hier Unterricht in ihrer
Muttersprache. 1876 grĂŒndeten katholische Seminaristen die Vereinigung âWĆadaâ,
die in den nÀchsten Jahrzehnten eine umfangreiche TÀtigkeit zugunsten der
sorbischen Sprache entfaltete.
FĂŒr die ab 1815 preuĂische Oberlausitz im Nordosten entstand 1816 ein
Lehrerseminar in Bunzlau/âheute:
BolesĆawiec (Polen), dem 1862
ein weiteres in Reichenbach (bei
Löbau) folgte. In beide Anstalten traten jÀhrlich im Durchschnitt vier junge
Sorben ein. Eine Ausbildung in ihrer Muttersprache erfolgte nicht.
In der Niederlausitz wurde das erste
Lehrerseminar 1794 â in Verbindung mit einem Zucht- und Armenhaus â in
Luckau gegrĂŒndet. Doch konnte
diese Anstalt dem Mangel an ausgebildeten Lehrern ebenso wenig abhelfen wie die
zuvor existierenden âambulantenâ Seminare, in denen Geistliche und Lehrer in
eigener Regie zwei bis drei Zöglinge fĂŒr den Schulstand heranzogen. Durch
Vereinigung des 1788 gegrĂŒndeten Seminars in ZĂŒllichau mit der Luckauer Anstalt entstand 1817 das
Lehrerseminar in Neuzelle. 1819
grĂŒndete der sorbischsprachige Pfarrer Johannes
Wilhelm Koethe in Altdöbern ein Nebenseminar. 1831 erhielt diese Anstalt den
Status eines ordentlichen Lehrerseminars, dessen Auftrag es war, âgeborene
Wenden zu tĂŒchtigen Schullehrern auszubildenâ. Das preuĂische Kultusministerium
fand diese Absicht angemessen und ĂŒbertrug Direktor Koethe die Aufgabe, den
sorbischen Lehrernachwuchs anzuleiten. Doch im Gegensatz zur sÀchsischen
Oberlausitz erhielten die niedersorbischen SchĂŒler weder in Altdöbern oder in
Neuzelle noch im 1864 eröffneten Seminar in Drossen Unterricht in ihrer Muttersprache.
Das Ànderte sich erst Ende der 1880er Jahre, als die Jungsorbische Bewegung auf die
Niederlausitz ĂŒbergriff und v.âŻa. die junge Intelligenz erfasste, die sich nun
verstĂ€rkt um die Pflege sorbischer Sprache und Kultur bemĂŒhte. 1893 gelang es,
am Seminar Altdöbern eine Vereinigung sorbischer Seminaristen zu grĂŒnden. Sie
lernten sorbisch lesen und schreiben und eigneten sich Grundkenntnisse in der
Geschichte und Kultur ihres Volkes an. Doch 1905 stellte der Verein seine
TĂ€tigkeit aufgrund geringer Mitgliederzahlen ein.
Neulehrerkurs am Lehrerseminar in Radibor, 1951; Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
1928 wurde die Volksschullehrerausbildung im Deutschen Reich den Hochschulen bzw.
UniversitÀten angegliedert, die Lehrerseminare wurden geschlossen. In Sachsen
studierten die sorbischen AnwÀrter nun an der Technischen Hochschule Dresden
bzw. an der UniversitÀt Leipzig. Die
ursprĂŒngliche Absicht, an einem der PĂ€dagogischen Institute einen sorbischen
Lektor anzustellen, wurde nicht verwirklicht. Bewerber aus der preuĂischen
Oberlausitz und aus Brandenburg schrieben sich meist in Berlin, Halle, Breslau/âheute: WrocĆaw
(Polen), MĂŒnster oder Paderborn ein, doch die sorbische Sprache
wurde nirgends gelehrt. Einige nutzten Studienmöglichkeiten im Ausland. An der
UniversitÀt in Prag gab es seit 1901 ein
Lektorat fĂŒr Sorbisch; 1933 errichtete man dort eine auĂerordentliche und 1939
eine ordentliche Professur fĂŒr Sorabistik.
Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde ein Numerus clausus fĂŒr das
Lehramtsstudium eingefĂŒhrt. Mehrere Bewerber wurden aus nationalen oder
politischen GrĂŒnden vom Studium ausgeschlossen. In der zweiten HĂ€lfte der 1930er
Jahre kam es erneut zu einer Umstrukturierung. Es wurden Hochschulen fĂŒr
Lehrerbildung bzw. PĂ€dagogische Akademien gegrĂŒndet, um die Vermittlung
politisch-weltanschaulicher Werte im Sinne der NS-Ideologie zu gewĂ€hrleisten (â NS-Zeit).
Absolventen des Sorbischen Lehrerbildungsinstituts Bautzen, 1965; Fotograf:
Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Auch nach 1945 spielte das Schulwesen fĂŒr das Erreichen politischer Ziele eine
wichtige Rolle. Daher wurden PĂ€dagogische Hochschulen und
Lehrerbildungsinstitute geschaffen, was den sorbischen BemĂŒhungen um
Bildungsautonomie entgegenkam. Anfang 1946 wurde im Radiborer Schloss ein
zweisprachiges Sorbisches Institut fĂŒr Lehrerbildung (SIfL; Serbski wuÄerski
wustaw, SWW) eingerichtet. Es sollte den LehrkrÀftemangel in der Ober- und
Niederlausitz abbauen. 1952 erfolgte der Umzug des Instituts nach Kleinwelka, 1959 nach Bautzen. Zur
Ausbildung gehörte nun eine umfangreiche muttersprachliche Schulung, hinzu kam
die didaktische und methodische Unterweisung. In Bautzen wurden neben
KindergĂ€rtnerinnen meist Lehrer und Lehrerinnen fĂŒr die Unterstufe ausgebildet.
DarĂŒber hinaus existierte eine universitĂ€re Ausbildung fĂŒr Sorbischlehrer ab der
Oberstufe. Zu Beginn des Wintersemesters 1951/52 erhielt die UniversitÀt Leipzig
ein Sorbisches Institut (seit 1969 Institut fĂŒr Sorabistik), das diese Ausbildung fortan
ĂŒbernahm.
Nach der politischen Wende
1989/90 wurde in den neuen BundeslĂ€ndern das Studium an Instituten fĂŒr
Lehrerbildung und PĂ€dagogischen Hochschulen eingestellt. Das Sorbische
Lehrerbildungsinstitut wurde 1991 aufgelöst und die Ausbildung an UniversitÀten
ĂŒberfĂŒhrt. Seither erfolgt die Ausbildung der Sorbischlehrer fĂŒr alle Schultypen
am Leipziger UniversitÀtsinstitut. Dort studieren die LehramtsanwÀrter aus
Sachsen und Brandenburg Sorbisch in Kombination mit weiteren FĂ€chern. FĂŒr die
Fortbildung von Fachlehrern sind in Sachsen die SĂ€chsische Akademie fĂŒr
Lehrerfortbildung und die Regionalstelle Bautzen der SĂ€chsischen Bildungsagentur
zustÀndig, in Brandenburg das PÀdagogische Landesinstitut und die Arbeitsstelle
fĂŒr sorbische (wendische) Bildungsentwicklung Cottbus (ABC).
Zweisprachige Erzieherinnen und Erzieher werden in Sachsen an der Sorbischen
Fachschule fĂŒr SozialpĂ€dagogik (am Beruflichen Schulzentrum fĂŒr Wirtschaft und
Technik) in Bautzen ausgebildet, in Brandenburg fehlt eine derartige
Einrichtung.
Lit.: Die brandenburgischen Lehrerseminare und die ihnen angegliederten
PrĂ€parandenanstalten, Hg. F. Buchholz/âG. Buchwald, Berlin 1961; P. Kunze: Die
preuĂische Sorbenpolitik 1815â1847, Bautzen 1978; K. Pietsch: Zur Geschichte der
sorbischen Lehrerbildung, Bautzen 1991; E. Pech: Die Sorbenpolitik der DDR
1949â1970. Anspruch und Wirklichkeit, Bautzen 1999; P. Kunze: Sorbisches
Schulwesen, Bautzen 2002.