Vor der österlichen Bußzeit gelegene Zeit der Heiterkeit und Ausgelassenheit, die mit dem
Dreikönigstag (6. Januar) beginnt und in katholischen Gegenden mit dem
Aschermittwoch, laut bäuerlichem Festkalender nach dem ersten Sonntag in der
Passionszeit endet. In der Niederlausitz finden bis heute das camprowanje (Zampern) und
die sog. Zapustumzüge bis vier Wochen vor Ostern statt. Die Fastnacht wird hier
auch als Fest zum Austreiben des Winters und der Begrüßung des herannahenden
Frühlings gedeutet.
Einer der Hintergründe für die Bräuche zur Fastnacht ist
der Verzicht auf Fleisch, Wurst und Eier während der vierzigtägigen Fastenzeit,
was sich auch in den sorbischen Bezeichnungen für die Fastnacht, niedersorb.
zapust, obersorb. póstnicy, widerspiegelt. Um die
verderblichen Nahrungsmittel aufzubrauchen, wurde zum Festessen geladen, woran
die Dorf- bzw. Stadtarmut lediglich durch das traditionelle Volksrecht des
Heischens zu den Jahresfesten (z. B. zum Martinstag, → Weihnachtsbräuche, oder zur Kirmes) Anteil nehmen konnte. Mit der Öffnung für
Angehörige anderer Volksschichten und der Aufnahme spielerischer Elemente wie
Verkleidung, Musik und Tanz wurde aus dem Heischen das Zampern, Zempern bzw.
Sempern, das in ländlichen Regionen wie der Lausitz ein Bestandteil des Abschlussfests in den Spinnstuben war. In der Oberlausitz sprach man vom „Wurstsingen“, obersorb.
po kołbasu chodźić, mit anschließendem Fastnachtstanz, das bis ins
19. Jh. verbreitet war. Die später rückläufige Tendenz ist u. a. dem
Einschreiten der Kirche, der Gutsherrschaften und Behörden gegen das sieben Tage
dauernde, oft mit Schlägereien verbundene Treiben geschuldet.
Fastnacht in Groß Partwitz, 1968; Fotograf: Albrecht Lange, Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Eine handschriftliche Chronik von Bautzen (1447)
beschreibt das „Semperlaufen“ am Donnerstag vor Fasching (Weiberfasching), bei
dem Frauen von Haus zu Haus gingen, Possen rissen und Bratwürste und
Rauchfleisch erbaten: „Semper, Semper, Donnerstag; / morgen haben wir Freitag. /
Oben in der Firste / hängen die Bratwürste. / Gebet uns Stangen, / dass wir sie
erlangen. / Wir können nicht lange stille steh’n; / wir müssen ein Haus weiter
geh’n.“ Bischof Johannes IV. von Meißen verbot den Umzug 1442 und ordnete
stattdessen die Feier eines Marienfestes an. Abraham Frencel (ca. 1720) bezeichnete die Fastnacht in der
Oberlausitz als großes „Fress-, Tanz- und Sauffest“, für das die Bauernsöhne und
Knechte Rosenmontag und Faschingsdienstag im Dorf Eier, Wurst und Geld
sammelten. Dudelsackspieler und Geiger (→ Volksmusikanten, → Volksmusikinstrumente) führten den Zug an, auf den Höfen wurde mit
jeder Frau getanzt. Die „ehrbaren“ Mädchen erhielten eine Einladung zum Essen
und zum Tanz. Einem Bericht über die Fastnacht in Oßling Mitte des 19. Jh. zufolge fand der
Tanz am Donnerstag danach statt. Die Bauerntöchter und Mägde wurden dem Vermögen
nach platziert und „hinter den Tisch gebunden“ („Binden und Lösen“, vgl. Erntebräuche), wovon sie sich loskaufen
mussten, um auf die Tanzfläche zu dürfen. Pfarrer Jaroměr Hendrich Imiš beklagte die unverhältnismäßig hohen
Lösegelder, für die eine Magd bis zu einem Fünftel ihres Jahreslohns einsetzen
musste.
In Wittichenau (→ Katholische Region) hatte sich im ausgehenden
18. Jh. die Tradition maskierter Tanzveranstaltungen herausgebildet. Der
ansässige Katholische Gesellenverein führte Ende des 19. Jh. den Umzug nach
rheinischem Vorbild ein, von dem wandernde Handwerksburschen berichtet hatten.
Mit einigen Unterbrechungen in Kriegs- und Notzeiten wird in Wittichenau als dem
einzigen Ort im sorbischen Siedlungsgebiet bis heute Fastnacht unter dem Begriff „Karneval“
gefeiert.
Zampern in Schleife, 1960; Fotograf: Wilfried Rabovsky, Sorbisches Kulturarchiv
am Sorbischen Institut
Die Verbreitung des Zamperns oder Zemperns in der Mark Brandenburg dokumentiert Adalbert Kuhns Sammlung „Märkische Sagen und
Märchen“ (1843), in der auch das Umherführen der traditionellen „Masken“
Schimmel, Strohbär und Storch beschrieben wird, die in der Niederlausitz nicht
nur zur Fastnacht, sondern auch bei den Weihnachtsbräuchen eine Rolle spielten.
Die Vermummung mit Stroh zu einer bärenähnlichen Heischegestalt war in ganz
Europa verbreitet. In den Sagen reitet der
Anführer des Wilden Heers „Dyterbjarnat“ oder der Tod auf einem Schimmel (→ Mythologie). Beim Zampern neckte er die
Mädchen und trieb Naturalien ein. Das Kostüm wurde aus großen Sieben oder
Holzreifen, einer „Kriebatsche“ (Wockenstock, d. h. Werkzeug zum Zwirnen) für
Hals und Kopf und weißer Leinwand hergestellt. Wilibald von Schulenburg (1882) beschrieb darüber hinaus die
Eierfrau (ein Mann in Frauenkleidern mit Eierkiepe) und den Doppelmenschen,
niedersorb. medły žywego nosy (,Der Ohnmächtige trägt den Lebenden’ –
ein Mann mit einer Strohpuppe zusammengebunden) als traditionelle Figuren. Zur
Verkleidung dienten mit Ruß geschwärzte Gesichter und Flachsbärte; meist wurden
Weiden- oder Birkenruten mitgeführt. Die Heischeverse, die Schulenburg für
Burg (Spreewald) und Schleife (in deutscher Sprache) und
zeitgleich Hugo Jentsch in Lauchhammer, Luckau, Lübben, Calau und
Lieberose notierten, ähneln
denen der Bautzener Frauen aus dem 15. Jh.
Zapust in Saspow, 2020; Fotografin: Stefanie Krautz, Nowy Casnik
Die neue Kreisverordnung für den Cottbuser Kreis
1874 begrenzte die Dauer der Fastnacht auf drei Tage. Schulenburg und Ewald Müller (1893) machten in ihren
Aufzeichnungen kaum einen Unterschied zwischen der Fastnacht und dem
Spinnstubenabschluss, der spätestens vier Wochen vor Ostern lag. Analog zur
Oberlausitz war das Zampern Sache der jungen Männer; gegen Ende des 19. Jh.
beteiligten sich in der Niederlausitz auch die Mädchen der Spinnstuben daran.
Eine große Bedeutung wurde dem Fastnachtstanz (→ Volkstanz) zugeschrieben, der für die Jugend und die Verheirateten
getrennt stattfand und an dem selbst diejenigen teilnehmen durften, die
ansonsten davon ausgeschlossen waren – alte Frauen und ledige Mütter. Vielfach
überliefert ist der Aberglaube, je höher die Frauen zum Fastnachtstanz springen,
desto besser gedeihe der Flachs. Da das Springen beim Tanzen als unsittlich galt
und eigentlich verboten war, bot die Fastnacht Gelegenheit, sich über diese
Regel hinwegzusetzen.
In den 1880er Jahren wurde der Festumzug der ledigen Paare eingeführt, der die
Dorfhonoratioren besuchte, um auch sie in den Brauch einzubeziehen. Dem Anlass
entsprechend trug die Jugend keine Kostüme, sondern Festkleider. Diese
„Zapustzüge“ entwickelten sich im Laufe des 20. Jh., begünstigt vom steigenden
Prestige der Festtrachten (→ Tracht), zum
eigentlichen Höhepunkt der Fastnacht. Edmund
Schneeweis berichtete, dass in den 1920er Jahren am Sonntag der
Festumzug der Jugend mit Tanz stattfand, am folgenden Montag die Ledigen und am
Dienstag die verheirateten Männer zamperten. Beide Abende endeten mit
„Eieressen“ und Tanz in der Schenke.
In der Gegenwart wird an einem Samstag zwischen Mitte Januar und Mitte März gezampert, am
folgenden Sonntag treffen sich die ledigen, in einigen Orten zusätzlich die
jungen verheirateten Paare zum Zapustumzug. Das gemeinsame „Eieressen“ findet
meist am Wochenende danach statt, mancherorts parallel zur sog. Männerfastnacht,
einer Tanzveranstaltung, die den verheirateten Paaren vorbehalten ist.
Teilnehmen darf, wer mindestens 14 Jahre alt ist und die entsprechende Kleidung
besitzt. Die jungen Frauen legen die Festtracht an, zu der je nach Ortstradition
wie in Werben die Haube, niedersorb.
lapa, gehört. Die Männer tragen Anzug und Hut, den bei den Ledigen
bunte Kunstblumen, Federn und Bänder zieren. Die zum Zug geordneten Paare werden
von einer Blaskapelle angeführt; das vorderste trägt einen bunt geschmückten
Rutenbesen oder einen Schellenbaum. Besucht werden Dorfbewohner mit besonderen
Verdiensten um das Gemeinwohl, die sich für die Ehre mit einem Imbiss oder einer
Spende in die Jugendkasse bedanken. Mit jedem Familienangehörigen wird auf dem
Hof eine Ehrenrunde getanzt, ein Schnaps getrunken und schließlich das
Fastnachtssträußchen überreicht. Der Umzug endet im Gasthaus, wo abends der Tanz
für alle Einwohner des Dorfes stattfindet.
Lit.: E. Müller: Das Wendentum in der Niederlausitz, Kottbus 1893; J. Matschie/H.
Fascyna: Sorbische Bräuche, Bautzen 1992.