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Fastnacht
von Susanne Hose und Christina Kliem

Vor der österlichen Bußzeit gelegene Zeit der Heiterkeit und Ausgelassenheit, die mit dem Dreikönigstag (6. Januar) beginnt und in katholischen Gegenden mit dem Aschermittwoch, laut bäuerlichem Festkalender nach dem ersten Sonntag in der Passionszeit endet. In der Niederlausitz finden bis heute das camprowanje (Zampern) und die sog. Zapustumzüge bis vier Wochen vor Ostern statt. Die Fastnacht wird hier auch als Fest zum Austreiben des Winters und der Begrüßung des herannahenden Frühlings gedeutet.

Einer der Hintergründe für die Bräuche zur Fastnacht ist der Verzicht auf Fleisch, Wurst und Eier während der vierzigtägigen Fastenzeit, was sich auch in den sorbischen Bezeichnungen für die Fastnacht, niedersorb. zapust, obersorb. póstnicy, widerspiegelt. Um die verderblichen Nahrungsmittel aufzubrauchen, wurde zum Festessen geladen, woran die Dorf- bzw. Stadtarmut lediglich durch das traditionelle Volksrecht des Heischens zu den Jahresfesten (z. B. zum Martinstag, → Weihnachtsbräuche, oder zur Kirmes) Anteil nehmen konnte. Mit der Öffnung für Angehörige anderer Volksschichten und der Aufnahme spielerischer Elemente wie Verkleidung, Musik und Tanz wurde aus dem Heischen das Zampern, Zempern bzw. Sempern, das in ländlichen Regionen wie der Lausitz ein Bestandteil des Abschlussfests in den Spinnstuben war. In der Oberlausitz sprach man vom „Wurstsingen“, obersorb. po kołbasu chodźić, mit anschließendem Fastnachtstanz, das bis ins 19. Jh. verbreitet war. Die später rückläufige Tendenz ist u. a. dem Einschreiten der Kirche, der Gutsherrschaften und Behörden gegen das sieben Tage dauernde, oft mit Schlägereien verbundene Treiben geschuldet.

Fastnacht in Groß Partwitz, 1968; Fotograf: Albrecht Lange, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Eine handschriftliche Chronik von Bautzen (1447) beschreibt das „Semperlaufen“ am Donnerstag vor Fasching (Weiberfasching), bei dem Frauen von Haus zu Haus gingen, Possen rissen und Bratwürste und Rauchfleisch erbaten: „Semper, Semper, Donnerstag; / morgen haben wir Freitag. / Oben in der Firste / hängen die Bratwürste. / Gebet uns Stangen, / dass wir sie erlangen. / Wir können nicht lange stille steh’n; / wir müssen ein Haus weiter geh’n.“ Bischof Johannes IV. von Meißen verbot den Umzug 1442 und ordnete stattdessen die Feier eines Marienfestes an. Abraham Frencel (ca. 1720) bezeichnete die Fastnacht in der Oberlausitz als großes „Fress-, Tanz- und Sauffest“, für das die Bauernsöhne und Knechte Rosenmontag und Faschingsdienstag im Dorf Eier, Wurst und Geld sammelten. Dudelsackspieler und Geiger (→ Volksmusikanten, → Volksmusikinstrumente) führten den Zug an, auf den Höfen wurde mit jeder Frau getanzt. Die „ehrbaren“ Mädchen erhielten eine Einladung zum Essen und zum Tanz. Einem Bericht über die Fastnacht in Oßling Mitte des 19. Jh. zufolge fand der Tanz am Donnerstag danach statt. Die Bauerntöchter und Mägde wurden dem Vermögen nach platziert und „hinter den Tisch gebunden“ („Binden und Lösen“, vgl. Erntebräuche), wovon sie sich loskaufen mussten, um auf die Tanzfläche zu dürfen. Pfarrer Jaroměr Hendrich Imiš beklagte die unverhältnismäßig hohen Lösegelder, für die eine Magd bis zu einem Fünftel ihres Jahreslohns einsetzen musste.

In Wittichenau (→  Katholische Region) hatte sich im ausgehenden 18. Jh. die Tradition maskierter Tanzveranstaltungen herausgebildet. Der ansässige Katholische Gesellenverein führte Ende des 19. Jh. den Umzug nach rheinischem Vorbild ein, von dem wandernde Handwerksburschen berichtet hatten. Mit einigen Unterbrechungen in Kriegs- und Notzeiten wird in Wittichenau als dem einzigen Ort im sorbischen Siedlungsgebiet bis heute Fastnacht unter dem Begriff „Karneval“ gefeiert.

Zampern in Schleife, 1960; Fotograf: Wilfried Rabovsky, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die Verbreitung des Zamperns oder Zemperns in der Mark Brandenburg dokumentiert Adalbert Kuhns Sammlung „Märkische Sagen und Märchen“ (1843), in der auch das Umherführen der traditionellen „Masken“ Schimmel, Strohbär und Storch beschrieben wird, die in der Niederlausitz nicht nur zur Fastnacht, sondern auch bei den Weihnachtsbräuchen eine Rolle spielten. Die Vermummung mit Stroh zu einer bärenähnlichen Heischegestalt war in ganz Europa verbreitet. In den Sagen reitet der Anführer des Wilden Heers „Dyterbjarnat“ oder der Tod auf einem Schimmel (→ Mythologie). Beim Zampern neckte er die Mädchen und trieb Naturalien ein. Das Kostüm wurde aus großen Sieben oder Holzreifen, einer „Kriebatsche“ (Wockenstock, d. h. Werkzeug zum Zwirnen) für Hals und Kopf und weißer Leinwand hergestellt. Wilibald von Schulenburg (1882) beschrieb darüber hinaus die Eierfrau (ein Mann in Frauenkleidern mit Eierkiepe) und den Doppelmenschen, niedersorb. medły žywego nosy (,Der Ohnmächtige trägt den Lebenden’ – ein Mann mit einer Strohpuppe zusammengebunden) als traditionelle Figuren. Zur Verkleidung dienten mit Ruß geschwärzte Gesichter und Flachsbärte; meist wurden Weiden- oder Birkenruten mitgeführt. Die Heischeverse, die Schulenburg für Burg (Spreewald) und Schleife (in deutscher Sprache) und zeitgleich Hugo Jentsch in Lauchhammer, Luckau, Lübben, Calau und Lieberose notierten, ähneln denen der Bautzener Frauen aus dem 15. Jh.

Zapust in Saspow, 2020; Fotografin: Stefanie Krautz, Nowy Casnik

Die neue Kreisverordnung für den Cottbuser Kreis 1874 begrenzte die Dauer der Fastnacht auf drei Tage. Schulenburg und Ewald Müller (1893) machten in ihren Aufzeichnungen kaum einen Unterschied zwischen der Fastnacht und dem Spinnstubenabschluss, der spätestens vier Wochen vor Ostern lag. Analog zur Oberlausitz war das Zampern Sache der jungen Männer; gegen Ende des 19. Jh. beteiligten sich in der Niederlausitz auch die Mädchen der Spinnstuben daran. Eine große Bedeutung wurde dem Fastnachtstanz (→ Volkstanz) zugeschrieben, der für die Jugend und die Verheirateten getrennt stattfand und an dem selbst diejenigen teilnehmen durften, die ansonsten davon ausgeschlossen waren – alte Frauen und ledige Mütter. Vielfach überliefert ist der Aberglaube, je höher die Frauen zum Fastnachtstanz springen, desto besser gedeihe der Flachs. Da das Springen beim Tanzen als unsittlich galt und eigentlich verboten war, bot die Fastnacht Gelegenheit, sich über diese Regel hinwegzusetzen.

In den 1880er Jahren wurde der Festumzug der ledigen Paare eingeführt, der die Dorfhonoratioren besuchte, um auch sie in den Brauch einzubeziehen. Dem Anlass entsprechend trug die Jugend keine Kostüme, sondern Festkleider. Diese „Zapustzüge“ entwickelten sich im Laufe des 20. Jh., begünstigt vom steigenden Prestige der Festtrachten (→ Tracht), zum eigentlichen Höhepunkt der Fastnacht. Edmund Schneeweis berichtete, dass in den 1920er Jahren am Sonntag der Festumzug der Jugend mit Tanz stattfand, am folgenden Montag die Ledigen und am Dienstag die verheirateten Männer zamperten. Beide Abende endeten mit „Eieressen“ und Tanz in der Schenke.

In der Gegenwart wird an einem Samstag zwischen Mitte Januar und Mitte März gezampert, am folgenden Sonntag treffen sich die ledigen, in einigen Orten zusätzlich die jungen verheirateten Paare zum Zapustumzug. Das gemeinsame „Eieressen“ findet meist am Wochenende danach statt, mancherorts parallel zur sog. Männerfastnacht, einer Tanzveranstaltung, die den verheirateten Paaren vorbehalten ist. Teilnehmen darf, wer mindestens 14 Jahre alt ist und die entsprechende Kleidung besitzt. Die jungen Frauen legen die Festtracht an, zu der je nach Ortstradition wie in Werben die Haube, niedersorb. lapa, gehört. Die Männer tragen Anzug und Hut, den bei den Ledigen bunte Kunstblumen, Federn und Bänder zieren. Die zum Zug geordneten Paare werden von einer Blaskapelle angeführt; das vorderste trägt einen bunt geschmückten Rutenbesen oder einen Schellenbaum. Besucht werden Dorfbewohner mit besonderen Verdiensten um das Gemeinwohl, die sich für die Ehre mit einem Imbiss oder einer Spende in die Jugendkasse bedanken. Mit jedem Familienangehörigen wird auf dem Hof eine Ehrenrunde getanzt, ein Schnaps getrunken und schließlich das Fastnachtssträußchen überreicht. Der Umzug endet im Gasthaus, wo abends der Tanz für alle Einwohner des Dorfes stattfindet.

Lit.: E. Müller: Das Wendentum in der Niederlausitz, Kottbus 1893; J. Matschie/​H. Fascyna: Sorbische Bräuche, Bautzen 1992.

Metadaten

Titel
Fastnacht
Titel
Fastnacht
Autor:in
Hose, Susanne; Kliem, Christina
Autor:in
Hose, Susanne; Kliem, Christina
Schlagwörter
Fasching; Karneval; Masken; Winter; Brauch; Brauchtum; Umzug; Festumzug; Geselligkeit; Tanz; Kostümierung; Zapust; Heischebrauch; Fest; Lausitz
Schlagwörter
Fasching; Karneval; Masken; Winter; Brauch; Brauchtum; Umzug; Festumzug; Geselligkeit; Tanz; Kostümierung; Zapust; Heischebrauch; Fest; Lausitz
Abstract

Vor der österlichen Bußzeit gelegene Zeit der Heiterkeit und Ausgelassenheit, die mit dem Dreikönigstag (6. Januar) beginnt und in katholischen Gegenden mit dem Aschermittwoch, laut bäuerlichem Festkalender nach dem ersten Sonntag in der Passionszeit endet. In der Niederlausitz finden bis heute das Zampern und die sog. Zapustumzüge bis vier Wochen vor Ostern statt.

Abstract

Vor der österlichen Bußzeit gelegene Zeit der Heiterkeit und Ausgelassenheit, die mit dem Dreikönigstag (6. Januar) beginnt und in katholischen Gegenden mit dem Aschermittwoch, laut bäuerlichem Festkalender nach dem ersten Sonntag in der Passionszeit endet. In der Niederlausitz finden bis heute das Zampern und die sog. Zapustumzüge bis vier Wochen vor Ostern statt.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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