Landschaft beiderseits von oberer Spree und
Lausitzer Neiße; als südlicher Teil der Lausitz überwiegend in Sachsen gelegen, der östliche Teil kam 1945 an
Polen. Das Gebiet der heutigen Oberlausitz erstreckt sich vom Breslau-Magdeburger Urstromtal im Norden bis zum Lausitzer Bergland im
Süden. Der von Sorben bewohnte Teil umfasst heute ein Gebiet zwischen Löbau, Kamenz, Hoyerswerda
und Weißwasser. In den ersten
schriftlichen Nachrichten tritt um die Mitte des 9. Jh. der Gau Milska auf, als
dessen Bewohner die Milzener
erscheinen. Die sorbische Landnahme des 7. Jh. betraf in der Oberlausitz das
sog. Gefildeland, das zwischen Kamenz und Löbau in einer Länge von etwa 40 km
und einer Breite von ca. 10 km um Bautzen als Mittelpunkt liegt. Der fruchtbare Lößboden und das milde
Klima im Flachland unterhalb der 200-m-Höhenlinie begünstigten die Besiedlung durch das Bauernvolk,
womit sich die Landesgeschichte der Oberlausitz von der Urgeschichte abhebt.
Mit Ankunft der Slawen begann eine neue Epoche der Landeskultur. Sie wanderten in ein weithin
menschenleeres Land ein. Die vom sog. Bayerischen Geographen um 850 genannten 30
Burgbezirke (Civitates) können wohl eher als Mittelpunkte des Handwerks und
Handels denn als Anlagen zur Verteidigung gelten. Die damals angelegten Sumpf-
und Höhenburgen lassen auf eine Untergliederung des Gebiets in einer noch nicht
herrschaftlich organisierten Ordnung schließen (→ Burgwälle). Womöglich kam es im
Anschluss daran zur Ausbildung einer schwachen Herrenschicht, die sich mit dem
Beginn der Feudalordnung deckt.
Im frühen 10. Jh. setzte sich das im Frankenreich entstandene feudale Gefüge gegen die
überholte militärische Demokratie durch. In Böhmen, Polen und im damaligen
sächsischen Stammesgebiet (heute Niedersachsen) strebten herrschaftliche
Ordnungen nach dem Gewinn von Macht über Land und Leute. Die herrschaftslose
Lausitz zog diese Kräfte aus den benachbarten Gebieten an. Dabei war der
Heereszug des ostfränkischen Königs Heinrich
I. in das Land östlich von Elbe und Saale 928/29 der
entscheidende Schritt. Er führte 929 zum Bau der Reichsburg Meißen, die zum Ausgangspunkt der weiteren
Ostexpansion wurde. Drei Jahre danach brachte ein Feldzug auch das Bautzener Land unter deutsche
Herrschaft, die sich nun bis an den Queis als neue deutsche Ostgrenze und
zugleich Grenze der Oberlausitz ausdehnte. Zu einem allgemeinen Widerstand waren
die Milzener nicht in der Lage. An den inneren Verhältnissen im Slawengau Milska
änderte sich jedoch nichts, die unterworfene bäuerliche Bevölkerung stellte mit
Abgaben und Diensten einen ökonomischen Wert dar (→ Unterwerfung). In jener Frühzeit erwähnt die
Chronik des Bischofs Thietmar von
Merseburg den »verehrungswürdigen Ältesten Dobromir«, der
zwischen 965 und 975 mit einer sächsischen Grafentochter verheiratet war. Es
ergaben sich weitere eheliche Verbindungen im deutsch-slawischen Berührungsraum
der späteren Lausitzen, die 1018 im Frieden zu Bautzen beide an den polnischen
Herzog Bolesław Chrobry fielen, 1031
aber wieder dem deutschen Reich zugesprochen wurden.
Kaiser Heinrich IV. übereignete 1071 dem Bischof
von Meißen das Dorf Görlitz (villa
Goreliz), das in der »provincia Milska« lag und dem Markgrafen Ekbert von Meißen gehörte.
Demnach wurde die spätere Oberlausitz als eine landschaftlich eigenständige
Einheit angesehen, die aber politisch an die westlich benachbarte Markgrafschaft
Meißen angeschlossen war. Nachdem das Land in das deutsche Reich einverleibt
war, folgte die Christianisierung der
Bevölkerung.
Im Gegensatz zur stets gleichbleibenden kirchlichen Einheit des Landes (→ Kirche) ergaben sich
bei der weltlichen Herrschaft beträchtliche Veränderungen. Während des
Investiturstreits entzog Kaiser Heinrich IV. dem meißnischen Markgrafen die
Herrschaft über das Land Bautzen und übertrug es dem böhmischen Herzog Vratislav II., von dem es 1084 als
Heiratsgut seiner Tochter an den Grafen Wiprecht
von Groitzsch gelangte. Er dürfte der einzige Angehörige des
deutschen Hochadels gewesen sein, der zeitweise in Bautzen residierte und eine
einheimische Herrschergewalt ausübte. Beim Tod seines Sohns Heinrich 1135 fiel das Land an den
böhmischen König zurück. 1143 wurde es vom deutschen König Konrad III. an den meißnischen
Markgrafen Konrad übertragen, von
Kaiser Friedrich I. Barbarossa
aber 1158 als deutsches Reichslehen wieder an den böhmischen König gegeben. Aus
dieser Periode rührt die traditionelle Vorstellung, die Oberlausitz sei ein
königliches und böhmisches Land gewesen, denn in den Wappen der Städte Görlitz,
Kamenz, Löbau und Zittau tauchte der
böhmische Löwe auf. Nächst den meißnischen und den böhmischen Oberherren
gelangte die Oberlausitz 1253 als Mitgift einer böhmischen Königstochter an den
askanischen Markgrafen von Brandenburg. Nach dem Aussterben der Askanier 1319
wurde das Land Bautzen erneut böhmisch, das Land Görlitz stand von da an bis
1396 unter eigenen Herzögen und wurde dann wieder mit Böhmen vereinigt. Dieser
mehrfache Wechsel der Zugehörigkeit hat jedoch nie zur Einverleibung in ein
anderes Territorium geführt, weil jedes Mal eine Personalunion zustande kam, bei
der ein auswärtiger Herrscher die Hoheit über die Oberlausitz innehatte und sich
durch einen Landvogt vertreten ließ. Die wirklichen Herren im Lande waren die
Landstände (→ Ständeherrschaft).
Diese setzten sich aus Angehörigen des Hochadels, der Masse des Kleinadels mit Herrensitzen
in den Dörfern, sowie den geistlichen Grundherrschaften (→ Klöster) zusammen.
Mit der Zunahme der Geldwirtschaft wuchs die Macht der Städte Bautzen, Görlitz,
Zittau, Löbau, Kamenz und Lauban/heute Lubań
(Polen), die schon im 13. Jh. keinen adligen Gewalten, sondern nur königlichen
Vögten unterstanden. Seit Mitte des 14. Jh. erwarben sie Landgüter, wurden damit
zu Inhabern der Grundherrschaft und waren neben den Landständen gleichrangig in
die Feudalordnung eingebunden. Die Städte vereinigten sich 1346 zum
Sechsstädtebund, um einerseits den Landfrieden und andererseits ihre Einkünfte
gegen den Adel zu sichern. Ihre Abgesandten saßen mit den adligen Grundherren
und den Vertretern der geistlichen Stifter auf den Landtagen, wo die ständische
Regierung in Erscheinung trat. Die landständische Verfassung beruhte auf dem
Zusammenwirken von »Land und Städten«.
Die Bedrohung aus Böhmen durch die Hussitenkriege in den Jahren 1425
bis 1431 wurde trotz empfindlicher Verluste überstanden. Als Folge der dabei
ausgelösten konfessionellen Spannungen trennten sich die oberlausitzischen
Stände 1469 vom böhmischen König Georg von
Podiebrad und wählten den Ungarnkönig Matthias Corvinus zu ihrem Landesherrn. Als dessen
Nachfolger wurde der Jagiellone Władysław
II. zum König der böhmisch-ungarischen Länder erkoren. Sein Sohn
Ludwig fiel 1526 in der Schlacht
von Mohács gegen die Türken, worauf
der Habsburger Ferdinand I. im Erbgang
die Herrschaft in Böhmen und dessen Nebenländern samt den Lausitzen und
Schlesien übernahm. Damit kamen die territorialen Wechsel für 100 Jahre zur
Ruhe. Unter König Matthias wurde die Bezeichnung des Landes als »Oberlausitz«
üblich, nachdem bis dahin der Name »Lausitz« nur für die Niederlausitz gegolten
hatte. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jh. führten die böhmischen und
ungarischen Könige den Titel eines Markgrafen der Lausitz, seit dem frühen 16.
Jh. wurden Oberlausitz und Niederlausitz zunehmend unterschieden. In der
Reichsmatrikel von 1521 erschienen sie beide nicht, da sie als Nebenländer der
Krone Böhmen ebenso wie Schlesien außerhalb der Reichsverfassung standen.
Am Territorialbestand des Landes ergaben sich im späten Mittelalter einige Verschiebungen.
Das Gebiet um Bischofswerda und
Stolpen unter bischöflich
meißnischer Landesherrschaft hatte sich zu einem selbstständigen Territorium
entwickelt, sodass es nicht mehr unter die Verfassung des Markgraftums
Oberlausitz fiel. Es war ab 1559 als Amt Stolpen ein Teil des Kurfürstentums
Sachsen, muss aber in landes- und volkskundlicher Hinsicht, nach Mundart und
Brauchtum weiterhin zur Oberlausitz gerechnet werden. Die Stadt Zittau war
hingegen mit ihrem Landgebiet dem Markgraftum zugewachsen, während das Gebiet um
Friedland im 15. Jh. unter böhmische Herrschaft gekommen war.
Beim Eintritt in die Neuzeit war die Oberlausitz kirchlich und kulturell ganz auf das
benachbarte sächsisch-wettinische Gebiet ausgerichtet, weshalb sich der Einfluss
der Wittenberger Reformation schnell durchsetzen konnte. Im Gegensatz zu Sachsen
gab es jedoch keinen Landesherrn im Lande, der nach den Bestimmungen des
Augsburger Religionsfriedens von
1555 eine einheitliche Konfession festgelegt hätte. So sank der Grundsatz des
»Cuius regio, eius religio« (Wessen Herrschaft, dessen Bekenntnis) auf die Stufe
der Grundherrschaft. Alle weltlichen Grundherren schlossen sich der lutherischen
Lehre an, die geistlichen blieben beim alten Glauben. Somit entstand auf den
Besitzungen des Klosters St. Marienstern (Panschwitz-Kuckau) eine geschlossene sorbische katholische Region. Dem in Prag regierenden katholischen König
Ferdinand I. gelang es nicht, in seinem Nebenland die Reformation zu verhindern.
Für die Sechsstädte hatte die Entwicklung in Gestalt des Pönfalls, der 1547 als
Strafgericht des böhmischen Königs verhängt wurde, negative Auswirkungen. Sie
hatten im Schmalkaldischen Krieg dem
katholischen Landesherrn in dessen Kampf gegen ihre evangelischen
Glaubensgenossen Truppen stellen müssen, die sie jedoch vorzeitig abzogen, wofür
sie mit einer hohen Geldstrafe und dem Verlust ihrer Rechte bestraft wurden. Mit
dem Pönfall erlangte der oberlausitzische Adel wieder die politisch führende
Rolle, die er zuvor aufgrund der überlegenen Wirtschaftskraft der Sechsstädte
verloren hatte. Die wirtschaftlichen Folgen konnten in den nächsten Jahren zu
einem guten Teil überwunden werden, doch das Kräfteverhältnis änderte sich
dauerhaft zugunsten des Königs und des Adels.
Während des Dreißigjährigen Krieges wechselte die Landesherrschaft über die
Oberlausitz, da der habsburgische Kaiser und König 1635 das Markgraftum dem
Kurfürsten von Sachsen übereignete (→ Traditionsrezess). Das bedeutete eine Personalunion mit dem
Kurfürstentum, aber keine vollgültige Einverleibung. In den folgenden 200 Jahren
kam es zu einer engeren Anlehnung an die staatliche Ordnung in den
kursächsischen »Erblanden«. In der Kirchenpolitik blieb die Eigenständigkeit der
Oberlausitz unangetastet. Von den Umwälzungen der napoleonischen Zeit wurde das
Land stark betroffen. Im Zuge der 1815 verursachten Teilung Sachsens musste etwa
die Hälfte des Territoriums im Nordosten an das Königreich Preußen abgetreten
werden, seitdem gab es ein sächsisches und ein preußisches Markgraftum
Oberlausitz mit zwei getrennten Ständeversammlungen. Auch die Obersorben waren
nun auf beide Länder aufgeteilt. Ungeachtet dieser erzwungenen Teilung blieb in
der Bevölkerung das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit bestehen. Die 1902
eingeweihte Ruhmeshalle im preußischen Görlitz diente als Zeichen des
oberlausitzischen Selbstbewusstseins. Die 1779 dort hervorgetretene Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften verkörperte in der
Gemeinschaft von Landadel und Bürgertum den Willen der kulturellen
Führungsschicht, die Traditionen des Landes fortzuführen. Im Zeitalter der
Romantik bildete sich im sorbischen Volk eine Bewegung, die zur nationalen
Wiedergeburt führte. Einer ihrer wichtigsten Vertreter war Jan Arnošt Smoler, der aus der preußischen
Oberlausitz stammte, seine Aktivitäten aber in Bautzen entfaltete. 1912 wurde im
preußischen Hoyerswerda die Domowina
als Dachverband für das sorbische Vereinswesen gegründet.
Ab Mitte des 19. Jh. wurde die Oberlausitz von der Industrialisierung erfasst, die
auf der seit dem 17. Jh. nachweisbaren Hausweberei aufbaute. Sie hatte im
südlichen Bergland eine entwickelte Gewerbezone hervorgebracht, sodass hier die
Bevölkerung stark zunahm und die Waldhufendörfer zu Fabrikdörfern ausgebaut
wurden. Dadurch wandelte sich das Siedlungsgefüge. Es wuchs ein Industriegebiet,
in dem die Textilbranche einen hohen Stand erreichte. Der Eisenbahnbau begann
1846 mit der Strecke von Dresden
über Bautzen und Görlitz nach Schlesien, weitere Linien folgten zur Erschließung
der Fabrikdörfer im Oberlausitzer Bergland. Der Waggonbau siedelte sich in
Bautzen und Görlitz an. Nach der Reichsgründung setzte im nördlichen Heidegebiet
(→ Hoyerswerdaer Land) der
Braunkohlenbergbau ein. Dörfer wurden abgebaggert, Tagebaurestlöcher,
Brikettfabriken, Großkraftwerke und Abraumhalden veränderten die Landschaft. Das
Heidedorf Weißwasser wurde ab 1873
zum größten Standort der europäischen Glasindustrie.
In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wurde die Oberlausitz zum umkämpften
Kriegsschauplatz mit schweren Zerstörungen. Der östlich der Neiße gelegene
Landstrich musste 1945 an Polen abgetreten werden (→ Östliche Lausitz). Da Preußen aufgelöst
wurde, wies die sowjetische Besatzungsmacht den westlich der Neiße gelegenen
Teil der preußischen Oberlausitz dem Land Sachsen zu. Die Neugliederung der
Verwaltung von 1952 schloss den nördlichen Teil an den »Energiebezirk«
Cottbus an, sodass die
Oberlausitz erneut geteilt war. Durch weitere Industrialisierung und Zuwanderung
deutscher Arbeitskräfte wurden die Sorben endgültig zur Minderheit in ihrem Siedlungsgebiet. Die
friedliche Revolution von 1989/90 leitete auch in der Oberlausitz die politische Wende ein. Bei
einer Abstimmung 1990 sprachen sich die Einwohner der Kreise Hoyerswerda und
Weißwasser für den Anschluss an den wiedererstandenen sächsischen Freistaat aus.
Damit ist die Oberlausitz westlich der Neiße wieder weitgehend vereinigt, sie
bildet als eigengeprägte, vielgestaltige Region mit zwei Landkreisen (seit 2008)
den Osten Sachsens.
Lit.: J. A. E. Köhler: Die Geschichte der Oberlausitz von den ältesten Zeiten bis zum Jahre
1815, 2. Aufl., Görlitz 1867; K. Blaschke: Beiträge zur Geschichte der
Oberlausitz, Görlitz/Zittau 2000; Geschichte der Oberlausitz, Hg. J. Bahlcke,
Leipzig 2001; K. Blaschke: Nachwort, in: R. Hartmetz: Die Oberlausitz. Eine
Ortsbestimmung, Dresden 2001; K. Blaschke: Das Markgraftum Oberlausitz und das
Amt Stolpen 1777, in: Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Band 6
III 4, Karte mit Beiheft, Leipzig/Dresden 2005; W. Müller u. a.: Oberlausitz.
Kulturlandschaften Sachsens 4, Dresden/Leipzig 2011.