Erste Nummer der obersorbischen Zeitung von Jan Bohuchwał Dejka, 1809; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
In kurzen periodischen Zeiträumen erscheinende Druckerzeugnisse mit aktuellen Beiträgen aus
allen Lebensbereichen. Sorbische Zeitungen widmen sich besonders politischen und
kulturellen Ereignissen im Siedlungsgebiet, werden meist parallel zu deutschen Zeitungen
rezipiert und beeinflussen durch regelmäßiges Erscheinen permanent die
Ausprägung und Entfaltung der Schriftsprache.
Oberlausitz: Als Vorläufer sorbischer Zeitungen können die 1767 von Studenten in Leipzig (→ Wendische
Predigergesellschaft) vervielfältigten zwei Nummern des
handschriftlichen Blattes »Lipske nowizny a wšitkizny« (Leipziger Neuigkeiten
und Allerlei) gelten. Die erste gedruckte und periodisch erscheinende Zeitung
gab der Bautzener Zimmermann und Autodidakt Jan
Bohuchwał Dejka 1808–1812 in Löbau heraus. Sein belehrendes, unterhaltendes Monatsblatt
»Serbski powědar a kurěr« (Sorbischer Erzähler und Kurier; der Titel variierte)
behandelte neben politischen auch nationale Themen – z. B. »Wie schätzen die
heutigen Sorben ihre Muttersprache?« –, fand aber bei der Geistlichkeit keine
Unterstützung und daher insgesamt wenig Abnehmer.
Erste Nummer der obersorbischen. Wochenzeitung »Tydźeńska Nowina«, 1842; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Ein neuer Anlauf zu einer kontinuierlich erscheinenden sorbischen Presse gelang in der
Hauptphase der nationalen Wiedergeburt. Jan Pětr Jordan brachte im Januar 1842 in
Bautzen in einer Auflage von 1 000 Exemplaren die Wochenzeitung »Jutnička« (Morgenstern) heraus. Mit
national-aufklärerischem Inhalt und einer neuen Orthografie,
ein Kompromiss zwischen der traditionellen evangelischen und der katholischen
Schreibweise, konnte er die Leserzahl aber nicht halten; nach sechs Monaten
stellte der Verleger Schlüssel das
Erscheinen ein. Der Student Jan Arnošt
Smoler gründete derweil im selben Format eine neue Zeitung, die
»Tydźenska Nowina« (Wochenzeitung), und trug dem Lohsaer Pfarrer Handrij
Zejler die Redaktion an. Das in Frakturschrift und alter
evangelischer Schreibweise erscheinende Blatt mit poetischen, moralischen und
praktischen Beiträgen – für außenpolitische Berichterstattung und Inserate
hatten deutsche Zeitungen das Privileg – erreichte mit 200 Exemplaren einen
kleinen Kreis, es wurde in den 1840er Jahren trotzdem zum Sprachrohr der Nationalbewegung. 1848
übernahm Smoler selbst die Redaktion, veröffentlichte politische und
Lokalnachrichten. Autoren aus dem Volk (→ Volksliteratur) steigerten mit
Gelegenheitsgedichten und öffentlichem Wortwechsel die Verbreitung der Zeitung
Als »Tydźenske Nowiny« entwickelte sich das Blatt ab 1848 zum Organ der
Bauernbewegung: Versammlungen wurden angekündigt, Berichte veröffentlicht. Auf
Anregung Samuel Erdmann Tzschirners
konkurrierte 1848 der Bautzener Verleger Reichel mit dem radikal-politischen sorbischen Wochenblatt
»Serbski Nowinkar« (Sorbischer Herold). Für Leser aus der katholischen Region brachte der
Bautzener Pfarrer Jakub Kućank
zwischen 1848 und 1850 eine neue »Jutnitžka« in katholischer Schreibweise und
Fraktur heraus. Daran knüpfte später die religiöse Zeitschrift
»Katolski Posoł« an, die nach 1880 auch zum regionalen politischen Wochenblatt
wurde.
Marko Smoler; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
1854 benannte Smoler die »Tydźenske Nowiny« in »Serbske Nowiny« um, vergrößerte das Format,
übernahm 1875 in seiner Druckerei (→ Schmalers Verlag und
Buchdruckerei) den Druck und sicherte bei strenger Zensur, häufigen
Presse- oder Rechtsstreitigkeiten und finanziellen Schwierigkeiten Kontinuität.
Seine nationalbewusste Linie führte nach 1884 sein Sohn Marko Smoler fort, der 1915 Kriegspropaganda
ablehnte und daher besonderer Zensur unterlag. Den Autonomiebestrebungen des
Sorbischen Nationalausschusses genügten die »Serbske Nowiny« nicht, daher
erschienen von 1919 bis Mitte 1920 zwei weitere politische Wochenblätter, das z.
T. zweisprachige Blatt »Serbske Słowo« (Sorbisches Wort) in Bautzen, zuletzt redigiert von Jan Bryl, und Jan Skalas »Serbski dźenik« (Sorbisches Tageblatt) in Weißwasser, das obersorbische,
niedersorbische und deutsche Artikel druckte und als Sprachrohr der Lausitzer
Volkspartei (→ Wendische
Volkspartei) diente.
Im Januar 1920 erhielten die »Serbske Nowiny« die Lizenz als Tageszeitung. Mit einer Auflage
von 6 000 Exemplaren fand die zunächst vier-, später bis zu achtseitige
großformatige Zeitung, die weiterhin M. Smoler leitete, Verbreitung in der
gesamten evangelischen Oberlausitz. Autoren wie Jakub Lorenc-Zalěski, Měrćin
Nowak-Njechorński, Jan
Skala oder Jurij
Słodeńk schrieben politische Kolumnen und Feuilletons. Die
Zeitung organisierte auch kulturpolitische Aktionen (z. B.
Unterschriftensammlungen für die sorbische Sprache in der Schule).
Druckerei der »Nowa doba«, 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
In der NS-Zeit traf die Gleichschaltungspolitik
auch die sorbische Presse. Die »Serbske Nowiny« wurde im April 1933 durch
Bautzener Behörden für acht Tage verboten, mehrere Journalisten inhaftiert und
die Redaktion umgebildet. Nach dem Konkurs des Schmaler’schen Verlagsbetriebs
1934 ermöglichte Jan Cyž das Fortbestehen der »Serbske Nowiny«, die trotz Zensur
noch als Organ sorbischer Vereine fungierten (ca. 2 000 Exemplare). Die
Besetzung der Redaktionsräume durch die Gestapo im August 1937 bedeutete das
vorläufige Ende aller sorbischen Presseerzeugnisse. Nur die Zeitschrift
„Katolski Posoł“ konnte noch bis 1939 in eigener Druckerei veröffentlicht
werden.
Erst im Sommer 1947 erteilte die sowjetische Besatzungsbehörde eine Lizenz zur erneuten
Herausgabe sorbischer Druckerzeugnisse. Am 6.7.1947 erschien die erste Nummer
der von Nowak-Njechorński geleiteten »Nowa doba« (»Neue Epoche«), anfangs als
Wochenzeitung, von September 1947 bis Oktober 1955 alle zwei bis drei Tage und
danach als Tageszeitung, über 35 Jahre zugleich als Organ der Domowina. Mehrere Monatsbeilagen – u. a. für
Literatur und Kultur, für Jugend und für Kinder – ersetzten bis Anfang der
1950er-Jahre die früheren spezifischen Zeitschriften. In bewusster Abkehr von
der Tradition der »Serbske Nowiny« verstand sich die »Nowa doba« als politisches
und ideologisches Tageblatt, das sich an den Vorgaben von Staat und Partei
orientierte. Bis 1949 widmeten sich die Leitartikel sorbischen Fragen, danach
hauptsächlich der Innenpolitik der DDR (→ DDR-Zeit). Unter Chefredakteur Maks
Pilop war die Zeitung 1956 kurzzeitig kritische Tribüne, wo
Fragen des nationalen Lebens offen diskutiert werden konnten. Seit 1973 widmete
sie sich unter Sieghard Kozel stärker
der sorbischen Kultur und wagte 1988/89 mit der Rubrik »Nd-diskusija« erneut
kritische Beiträge zu publizieren. Wie schon in der Zeitung der
Zwischenkriegszeit wurden in der »Nowa doba« regelmäßig Fortsetzungsromane
publiziert. 1957–1960 begründete die Redaktion eine achtseitige
literarisch-feuilletonistische Monatsbeilage »Předźenak«, die ab 1962 als
neutrale Wochenendbeilage und ab 1964 wieder als »Předźenak«, ab Herbst 1967 mit
zwölf Seiten, erschien. Die freitags bzw. samstags auch separat zu beziehende
Wochenendausgabe mit Lokalreportagen, kulturhistorischen Feuilletons und
literarischen Texten fand wesentlich mehr Leser. Als Ersatz für die 1960
eingestellte Jugendzeitschrift »Chorhoj měra« gab es ab 1973 die kleinformatige
Beilage »My« (Wir). 1979 kam eine vierseitige monatliche Kulturbeilage
»Wuměłstwo a literatura« (Kunst und Literatur) hinzu, später mit dem
Titel »Kultura a wuměłstwo« (Kultur und Kunst; Auflage ab den 1970er Jahren ca.
2 000).
Wochenendbeilage »Předźenak«, Domowina-Verlag 2013
Im Herbst 1990 war das weitere Erscheinen der im Domowina-Verlag verlegten »Nowa doba« gefährdet. 1991 nahm sie
wieder den traditionellen Namen »Serbske Nowiny« an und erschien erst mit drei,
ab Juni 1991 mit fünf Ausgaben wöchentlich.
1995–2011 hatte Benedikt Dyrlich die redaktionelle
Verantwortung und machte die Zeitung zu einem unabhängigen politischen
Abendblatt. Die 1996 geschaffene Monatsbeilage »Młodźina« (Jugend) wird
gemeinsam mit Jugendlichen gestaltet. Schon die »Nowa doba« erschien 1948–1951
und 1990 mit einer deutschsprachigen monatlichen Beilage, ab 2002 auch die
»Serbske Nowiny«. Seit 2005 erfolgt die Berichterstattung teilweise online
(www.serbske-nowiny.de) und die Zeitung wird auch als E-Paper angeboten.
Chefredakteur ist seit 2011 Janek
Wowčer.
Wochenzeitung »Bramborski ßerski Zassnik (Bramborski serbski casnik)«, 1848; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Kito Šwjela; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Niederlausitz: Um demokratische Tendenzen von der sorbischen Bevölkerung fernzuhalten,
entschlossen sich preußische Instanzen und zwei deutsche Gutsbesitzer (Adolf von Werdeck, Ernst Ludwig D. von Schönfeldt) im Frühjahr
1848 zur Gründung einer niedersorbischen Wochenzeitung. Der konservativ
ausgerichtete »Bramborski serbski casnik« (Brandenburgische sorbische Zeitung),
der im Laufe der Zeit mehrmals den Namen änderte (umgangssprachlich nur
»Casnik«), wurde zunächst von den niedersorbischen Pfarrern Mato Nowka (bis 1852) und Kito Pank redigiert und enthielt
hauptsächlich politische und religiöse Beiträge, spiegelte aber auch das
nationale Leben in der Niederlausitz. Mit der Übernahme der Redaktion durch den
Lehrer Kito Šwjela griff 1864 ein
breiteres Themenspektrum Raum und die Auflage stieg von 100 auf 400 Exemplare.
Šwjela, der die Redaktion über 50 Jahre innehatte, lud 1880–1884 den Dichter
Mato Kosyk, den Lehrer Hendrich Jordan und den deutschen
Publizisten Georg Sauerwein zur
Mitarbeit ein. Politisch blieb die Zeitung konservativ ausgerichtet, trug jedoch
wesentlich zur Entwicklung der Schriftsprache (→ Niedersorbisch), der Literatur und der Identität der Niedersorben bei.
Hergestellt wurde sie zunächst von Druckern in Cottbus, 1885 wechselte Šwjela wegen der zunehmenden deutschen
Inserate nach Hoyerswerda, wo bis
1919 auch andere niedersorbischen Zeitschriften gedruckt wurden (»Serbska
hutřoba«, »Wosadnik«, »Gwězda«). Nachdem Kito Šwjela 1915 aus gesundheitlichen
Gründen die Redaktion aufgab, übernahm sein Sohn Bogumił Šwjela ab 1916 die Herausgabe einzelner Nummern; im
April 1918 stellte der »Bramborski Casnik« sein Erscheinen wegen der
kriegsbedingten wirtschaftlichen Notlage ein. 1921/22 gab B. Šwjela einen
»Serbski Casnik« als Monatsbeilage der »Serbske Nowiny« heraus, ab 1923 erschien
er in Bautzen unter der Leitung von Mina
Witkojc wieder als eigenständige niedersorbische Wochenzeitung.
Mit einer Werbefahrt durch die Niederlausitz gelang es ihr, 1924 die
Abnehmerzahl auf fast 1 200 zu erhöhen. Witkojc, die sich inhaltlich an den
obersorbischen »Serbske Nowiny« orientierte, trat offen für die Bewahrung von
sorbischer Sprache und Kultur ein und bekundete Sympathie für andere slawische
Völker und Minderheiten. 1930 entzogen ihr konservative Kreise der
niedersorbischen Bildungsschicht die Redaktionsleitung, 1933 erhielt sie von den
NS-Behörden Berufsverbot. Die ab 1931 von dem Lehrer Fryco Rocha geleitete Zeitung stellte Mitte
1933 ihr Erscheinen ein.
Wochenblatt »Nowy Casnik«, Domowina-Verlag 2013
Als Beilage der »Nowa doba« erschienen 1947 und 1948 in Bautzen insgesamt drei Ausgaben des
niedersorbischen »Dolnoserbski Casnik«, redigiert von B. Šwjela. Nach seinem Tod
wurde die Beilage 1949–1954 von Měrćin Nowak-Njechorński und Frido Mětšk als »Nowy Casnik« monatlich
weitergeführt, bis 1955 in Cottbus eine Lokalredaktion eingerichtet wurde.
Seitdem erscheint der »Casnik« – 1973–2004 unter Chefredakteur Horst Adam – als selbstständige
Wochenzeitung mit zunehmender Verbreitung auch in die Oberlausitz (besonders → Schleifer Region), seit
1968 mit gelegentlicher Literaturbeilage »Cytaj a rosćoš«. Seit der Wende
enthält die Zeitung regelmäßig Berichte aus dem evangelischen kirchlichen Leben
der Niederlausitz sowie deutschsprachige Beiträge. Auch die niedersorbische
Zeitung ist seit 2006 online (www.nowycasnik.de) und als E-Paper erhältlich.
Chefredakteur ist seit 2005 Gregor
Wieczorek.
Lit.: W. J. Rauch: Presse und Volkstum der Lausitzer Sorben, Würzburg 1959; M.
Völkel: Serbske nowiny a časopisy w zašłosći a w přitomnosći, Budyšin 1984; M.
Völkel: Zur Verbots- und Zensur-Praxis deutscher Behörden, dargestellt an
einigen sorbischen Periodika, in: Studia niemcoznawcze = Studien zur
Deutschkunde 20 (2000); A. Kirschke: Drei Sprachen in einer Zeitung. »Serbski
Dźenik« 1919/20 in Weißwasser – ein spannendes Kapitel Pressegeschichte, in:
Lětopis 50 (2003) 2.