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Hochzeits­bitter
von Sigmund Musiat

Richard Hajna aus Pielitz, obersorbischer evangelischer Hochzeitsbitter, um 1959; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Vermittler oder Organisator der traditionellen, hier der sorbischen Hochzeit, der die Gäste zur Feier einlädt und unterhält. Die Eheanbahnung in der Gentilgesellschaft verlief kompliziert. Die Familien benötigten für ihre Söhne Ehefrauen aus anderen Sippen, die nicht blutsverwandt waren. Sie wurden durch einen Brautwerber vermittelt, der auch den Brautpreis vereinbarte. Holzstab und Bänder waren Attribute seines Amtes. Konnte er keine Übereinkunft vermitteln, wurde die Braut mitunter geraubt (Raubehe).

Auf dem Konzil von Trient (1545, 1563) führte die katholische Kirche allgemein die kanonische Trauung ein, bei der das Eheversprechen vor einem Geistlichen gegeben und die Ehe eingesegnet wird. Der Brautwerber wurde nun zum Helfer, der das Brautpaar über dessen künftige Pflichten unterrichtete. Außerdem unterstützte er den Brautvater bei der Vorbereitung der Hochzeit und nahm bestimmte Brauchhandlungen vor, so die Einladung der Gäste und die Verabschiedung der Braut aus dem Elternhaus.

Jurij Mucha aus Drehna, obersorbischer evangelischer Hochzeitsbitter, um 1932; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Michał Rječka aus Radibor, obersorbischer katholischer Hochzeitsbitter, um 1968; Fotograf: Albrecht Lange, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen

In der Neuzeit entstand in den Städten und Ratsdörfern der Oberlausitz das Bittergewerbe. Hier fand der einstige slawische Brautwerber unter dem Namen Hochzeitsbitter (obersorb. braška, niedersorb. pobratš, pódružba) seinen Platz. Nach Erlass der sächsischen Gewerbeordnung von 1860 durfte er in allen Pfarrgemeinden seine Tätigkeit ausüben. In der Niederlausitz fehlten gewerbliche Hochzeitsbitter, dort übernahmen befähigte Laien diese Aufgabe. Die konkreten Pflichten unterlagen vielfältigen Wandlungen und Erweiterungen, die je nach Epoche und Gebiet differierten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand die Funktion bei den evangelischen Sorben ganz. In der katholischen Region blieben mehrere, auch jüngere Hochzeitsbitter aktiv. Allerdings wurde ihr Tätigkeitsbereich allmählich eingeschränkt. Neben der mündlichen Einladung durch den Hochzeitsbitter erfolgt diese bei entfernteren Gästen inzwischen mit der Post. Bestimmte Gaststätten sind auf Hochzeitsfeiern eingerichtet und haben herkömmliche Dienstleistungen des Hochzeitsbitters übernommen. Diesem bleibt vorbehalten, der Hochzeit den zeremoniellen Ablauf zu geben und die Gäste mit Anekdoten und humorvollen Einlagen zu erheitern, häufig in Sorbisch und Deutsch. Die sorbische Hochzeit mit Hochzeitsbitter und Gästen in Tracht ist heute Ausdruck bewusst gelebter nationaler Identität. Bei den abendlichen Feiern zur Vogelhochzeit im Januar führt meist ebenfalls ein Hochzeitsbitter durch das Programm.

Lit.: B. Schneider: Der wendische Hochzeitsbitter – Braška, in: Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde (1907); S. Musiat: Porträts sorbischer Hochzeitsbitter von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, in: Lětopis C 22 (1979), 23 (1980); T. Malinkowa: Der sorbische Hochzeitsbitter Jan Kmoch aus Quatitz, in: Lětopis 61 (2014) 2.

Metadaten

Titel
Hochzeits­bitter
Titel
Hochzeits­bitter
Autor:in
Musiat, Sigmund
Autor:in
Musiat, Sigmund
Schlagwörter
Hochzeit; Tracht; Brauch
Schlagwörter
Hochzeit; Tracht; Brauch
Abstract

Vermittler oder Organisator der traditionellen, hier der sorbischen Hochzeit, der die Gäste zur Feier einlädt und unterhält.

Abstract

Vermittler oder Organisator der traditionellen, hier der sorbischen Hochzeit, der die Gäste zur Feier einlädt und unterhält.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

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