Durch fotografisches Verfahren hergestellte dauerhafte Lichtbilder, hier mit
sorbischen Motiven, die dokumentierende, informierende oder
subjektiv-bildschaffende Absichten verfolgen. Ihre Anwendungsbereiche sind
handwerkliche, journalistische und künstlerische Fotografie.
Adolph Meister, Bautzen, Marka Zejlerjec, Visitporträt, um
1875; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Personen-, Familien- u. a. Erinnerungsbilder waren die ersten Aufnahmen mit
sorbischer Thematik, die aus den städtischen Fotoateliers der Lausitz ab Mitte
des 19. Jh. hervorgingen. Gelegentlich besuchten Wanderfotografen größere
Dörfer. Eine eigenständige sorbische Fotografie entwickelte sich daraus jedoch
nicht. Eine der ältesten Porträtaufnahmen im Sorbischen Kulturarchiv zeigt den
sorbischen Theologiestudenten Jan Awgust
Sykora (1857).
Eine prägnante Aufgabe im sorbischen Kulturleben der Oberlausitz bekam die Fotografie mit der
1896 in Dresden ausgerichteten Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes und deren
separatem Teil „Das Wendische Dorf“. Unter Federführung von Arnošt Muka wurden zeitgenössische Atelier-
und Freilichtaufnahmen von der sorbischen Bevölkerung, der Dorfarchitektur und
den Lausitzer Landschaften zusammengetragen. Dabei griff man auf Arbeiten der
professionellen Fotografen Hermann Oskar
Meister aus Bautzen,
Carl Metzner und Richard Klau, beide aus Cottbus, Heinrich Steffen aus Burg (Spreewald) sowie des Dresdener Hoffotografen Wilhelm Höffert zurück. Ein großer Teil
dieser Bilder ist in den Bestand des späteren Sorbischen Museums in
Bautzen eingegangen und dort bis heute vorhanden. Zur Einweihung des Wendischen Hauses in Bautzen
1904 übergab der Cottbuser Hoffotograf Richard Klau dem Museum als Geschenk eine
Mappe mit Bildern von Trachten aus der Niederlausitz,
die den Grundstock einer Fotosammlung bilden sollte. Im Juni 1905 erschien in
der Zeitschrift „Łužica“ Mukas Aufruf zur fotografischen Dokumentation von
wendischen Volkstrachten, Volkstypen, Festen, Architektur usw. Das systematische
Fotografieren des Volkslebens erhielt dadurch einen nachhaltigen Impuls. In
Mukas Nachlass in Prag befinden sich
mehrere Fotoalben aus dieser Phase.
Richard Klau, Cottbus, Hochzeit in Jänschwalde, um 1905;
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der erste im sorbischen Kulturkreis verwurzelte professionelle Fotograf war Heinrich Steffen.
Er begann 1887 in Burg (Spreewald) als „Maler und Photograph“ gewerbsmäßig zu
arbeiten. Zahlreiche seiner Fotoplatten vom Leben im Spreewald am Ende des 19. Jh. und solche seines
Sohns Max Steffen sind in dem noch
bestehenden Familienbetrieb nachweisbar. Als versierter Amateurfotograf und
Filmer (→ Film) trat in den 1920er und
1930er Jahren Herbert Cerna aus
Guhrow, später Pfarrer in der
Niederlausitz, mit Landschafts- und Brauchtumsfotografie hervor.
Auch für einige deutsche Fotografen war die sorbische Kultur von Interesse. So wurden um 1910
Dorffotografien aus Bluno vom Lehrer
e in einem kleinen Buch gedruckt
und verbreitet. Die Fotografin Erna
Lendvai-Dircksen, die ab 1916 ein Bildnisatelier in Berlin unterhielt, weilte wiederholt in
verschiedenen Regionen der Lausitz; die Porträt- und Landschaftsaufnahmen wurden
Bestandteil ihres umfangreichen Werks „Das deutsche Volksgesicht“, das dem
völkischen Gedankengut der Zeit entsprach. Auch die ethnografischen
Trachtenbilder, die der Berliner Hans
Retzlaff in den 1920er und 1930er Jahren mithilfe ortskundiger
Gewährsleute anfertigte, muss man im rassenkundlichen Kontext des
Nationalsozialismus sehen, ebenso die Fotos von Erich Retzlaff aus jener Zeit. Ein Teil der Fotografien diente
publizistischen Zwecken. In den 1950er Jahren wurden, angeregt von der Akademie
der Wissenschaften in Berlin und dem Zentralhaus für Volkskunst in Leipzig, von namhaften deutschen Fotografen
Trachtendokumentationen angefertigt. So waren u. a. der Berliner Wolf Lücking, Evelyn Richter aus Neukirch und Rolf
Langematz aus Leipzig
in der Lausitz unterwegs.
Der aus einer sorbischen Landarbeiterfamilie in Lübbenau stammende Erich
Rinka kam in den 1920er Jahren in Berlin über die politisch
motivierte Arbeiterfotografiebewegung zur Berufsfotografie. Mit Blick für die
kleinen Leute und deren alltägliche Arbeit schuf er eindrucksvolle Bilder in der
Lausitz, in Griechenland und später in Bulgarien. Er brachte 1954 im
Sachsenverlag Dresden das erste Fotobuch über den Spreewald aus sorbischer Sicht
heraus („Mein Spreewaldbuch“). Seine Fotos tragen eine individuelle Handschrift,
die von der Neuen Sachlichkeit beeinflusst ist. Er hinterließ ein umfangreiches
Negativkonvolut zum Spreewald der 1940er und 1950er Jahre, das sich im
Sorbischen Kulturarchiv befindet.
Erich Rinka, Heimwärts, um 1940; Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der ehemalige Lehrer Kurt Heine in Bautzen als freier
Bildjournalist zu arbeiten. Sein Interesse für das Sorbische machte ihn zum
Chronisten der Nachkriegszeit. Umfangreiche Dokumentationen des sorbischen
kulturellen Lebens, des Brauchtums und der Volkstrachten stammen von ihm. In der
Niederlausitz war seit Beginn der 1950er Jahre Erich Schutt aus Vetschau als Fotograf journalistisch tätig; in über 50-jähriger
Zeitungsarbeit wurde er zum Chronisten der Region. In Bautzen wirkte Rolf Dvoracek seit jener Zeit ebenfalls für
die Presse. Beide waren nebenher an Buch- und Kalenderprojekten des Domowina-Verlags beteiligt.
Gleich nach 1945 fotografierte der Lehrer Jurij
Kubaš-Worklečan mit seiner Leica-Kamera die Zerstörung Bautzens
und der Dörfer in der katholischen Region nebst dem beginnenden Wiederaufbau. Er schuf dabei
emotional bewegende Bilder. Ebenfalls als engagierter Amateur fotografierte der
junge Lehrer Pawoł Rota in den 1950er
bis 1970er Jahren das Leben in seinem Heimatort Zerna und dessen näherer Umgebung. Seine Fotoserien leben von
der Nähe zum Dargestellten.
In der Nachkriegsgeneration war Gerald
Große der erste sorbische Fotograf, der ein Fotografiestudium an
der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig absolvierte. Später folgten
ihm Jürgen Maćij und der
Fotojournalist Maćij Bulank. Großes
Bilder sind geprägt von Harmonie und gestalterischer Ausgewogenheit. Sein Blick
auf die Lausitz war Mitte der 1970er Jahre innovativ, seine Arbeitsschwerpunkte
wurden Bildbände und Kalender. Maćij ist besonders der sozialdokumentarischen
Fotografie verpflichtet. Er arbeitet seriell an langfristigen Themen wie
Dorfleben oder Braunkohlenbergbau.
Mit der Wiedereinrichtung eines eigenständigen Sorbischen Museums in Bautzen
erhielt die Fotografie Anfang der 1980er Jahre neue Impulse. In
Personalausstellungen zum Werk von Jurij Kubaš-Worklečan, Kurt Heine, Pawoł
Rota, Jürgen Maćij, Gerald Große, Wolf Lücking, Erich Rinka u. a. wurden
unterschiedliche künstlerische Handschriften der Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Ebenso erarbeitete das Wendische Museum in Cottbus ab 1994 eigene Fotoausstellungen. Beide
Museen sowie das Sorbische Kulturarchiv besitzen umfangreiche Sammlungen von
Fotografien, die als Dokumente, Exponate und Kunstgut dienen.
Lit.: E. Muka: Wo wažnosći fotografowanja za serbski narodopis, in: Łužica 25
(1905) 6; Ch. Kliem: Fotographie in der sorbischen (wendischen) Niederlausitz =
Fotografija w serbskej Dolnej Łužycy, in: Kottbus. Bildende Kunst in der Stadt,
Cottbus [2006].