Etwa 75 Kilometer langes und bis zu 16 Kilometer breites Niederungsgebiet in der Niederlausitz nordwestlich von Cottbus, das seine Entstehung dem geringen
Gefälle der mittleren Spree von
10 bis 15 Zentimeter je Kilometer Lauflänge verdankt. Für den 1328 erstmals urkundlich erwähnten
Spreewald (sorb. Błota ‘Sumpfland’) und seine einzelnen Areale wurde
noch im 18. Jh. eine größere Ausdehnung mit erheblichen Sumpf- und
Urwaldanteilen angegeben. Dabei wird neben dem Jänschwalder Spreewald auch ein
Storkower Spreewald genannt. Vor 1800 heißt es, dass er sich „von Jänschwalde an (…) ehedem bis an den
Neuendorfer See, ohnweit Leibsch
erstreckt habe“. Im 19. Jh. wurde nach umfangreichen Meliorationsmaßnahmen die
bis heute gültige Ausdehnung vom Bereich Fehrow bis zum Neuendorfer See fixiert. Seitdem ist auch die
Unterteilung in Unter- und Oberspreewald mit Lübben als Schnittstelle gebräuchlich, wobei der Unterspreewald
etwa ein Drittel und der Oberspreewald zwei Drittel der Fläche einnehmen,
während der Malxe-Bereich um Peitz
und Jänschwalde seit Anfang des 20. Jh. nicht mehr dem Spreewald zugerechnet
wird.
Holzbrücke über ein Spreefließ bei Burg (Spreewald), 1992; Fotografin: Iris
Brankatschk
Politisch war der Spreewald nie in einer Verwaltungsstruktur vereinigt, sein Gebiet bis 1806
auf Brandenburg bzw. Preußen und Sachsen verteilt, nach 1815 den Kreisen
Calau, Cottbus und Lübben
zugehörig. Derzeit leben in den 37 Dörfern und drei Städten (Lübben, Lübbenau, Vetschau)
etwa 50 000 Menschen (2010). Ein 475 Quadratkilometer großes Areal trägt die
UNESCO-Kennzeichnung „Biosphärenreservat Spreewald“.
Ein
Begräbnis im Spreewald, Holzstich nach einer Zeichnung von Hermann Lüders, 1869,
in: Illustrierte Zeitung 26 (20.3.1869) 134; Repro: Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
Erste urgeschichtliche Siedlungsnachweise gibt es für den Spreewald bereits seit
der Mittelsteinzeit. Nach einer siedlungslosen Phase ist seit dem 6. Jh. sowohl
von der Elbe wie der Neiße ein Vordringen slawischer Stämme in die heutige
Niederlausitz belegt. Dabei ist der aus dem Südosten kommende Stamm der Lusizer namengebend für die
Lausitz geworden, er fällt in
der Frühzeit durch seine markante Keramik des Tornower Typs auf. Die Ackerbau
treibenden Slawen nahmen meist die Randzonen von Niederungen und Tälern ein. Die
Lusizer errichteten Fluchtburgen (→ Burgwälle), die sich oft neben
ihren drei bis vier Kilometer auseinanderliegenden Siedlungen (Rundlingsdörfer) befanden. Ihre
Infrastruktur wurde seit dem 10. Jh. durch die deutsche Ostexpansion überlagert.
Es kam in der Folge im Unter- wie auch Oberspreewald zur Anlage von Zeilen-,
Straßen- und v. a. Angerdörfern sowie deren Einbindung in typisch
mittelalterliche Hufen- und Gewannstrukturen. Nur bei Dorfanlagen auf
Talsandinseln, so in Lehde, finden
sich Blockfluren, die als Ergebnisse des mittelalterlichen Landesausbaus
anzusehen sind. An den Prozessen der Kolonisation des 10. und 11. Jh. waren nach heutigen Erkenntnissen bis
zu 90 % Sorben beteiligt, ersichtlich aus den zahlreichen sorbischen Ortsnamen, Flurnamen und Fließbezeichnungen
(→ Gewässernamen).
Kirchgang in Burg (Spreewald), 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der innere Spreewald galt jahrhundertelang als siedlungsfeindlich und blieb bis
zum 18. Jh. nahezu unerschlossen. Die große sumpfige Niederung war nur bei den
Orten Fehrow und Lübben zu durchqueren. Daher blieb der Siedlungskranz der
Dörfer, mit Ausnahme der Orte Leipe
und Lehde, auf die trockeneren Randbereiche sowie einige günstig gelegene
Talsandinseln (z. B. das alte Burg)
beschränkt. Die Bauweise war lange Zeit derjenigen anderer Landschaften in der
Niederlausitz ähnlich, d. h. bei Holzreichtum wurden vielfach Blockbauten
errichtet; der aus Holzspargründen angeordnete Fachwerkbau hat sich im inneren
Spreewald wegen des sumpfigen Untergrunds nie durchgesetzt.
Kahnbauer, 1953; Fotograf: Erich Rinka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen
Institut
Die Landwirtschaft wurde durch die Hufenverfassung bis ins 19. Jh. von der
Dreifelderwirtschaft bestimmt, bei günstiger Lage auch als Zweifelderwirtschaft,
jedoch stets unter Beibehaltung des Flurzwangs. Für die Tierhaltung waren
Waldweide und Hutungen sowie Mähwiesen erforderlich. Jagd und Fischfang blieben
fiskalisches bzw. grundherrliches Privileg. Eine fast gegensätzliche
Wirtschaftsform bedeutete die im sächsischen wie im preußischen Spreewald nach
dem Dreißigjährigen Krieg betriebene
innere Kolonisation. Dabei sollten durch angeworbene („ausländische“) Kolonisten
brachliegende, versumpfte oder ungünstig gelegene Gebiete urbar gemacht werden.
Dies geschah ab Mitte des 18. Jh. in bzw. bei den Orten Buchholz, Burg-Kolonie, Neu-Byhleguhre, Radensdorf, Saccasne und Schlepzig. Die umfangreichste Kolonisation fand im Burger
Spreewald statt; ihren Anfang verdankte sie einem für den deutschen Raum
einzigartigen Ansatz: Es wurde auf preußisch-fiskalischem Land (den „Kaupen“,
von sorbisch kupa ,Insel‘) ohne staatliche Kenntnisnahme, Planung oder
Privilegierung von Burger Hofinhabern bzw. ihren nicht erbberechtigten Kindern
zwischen 1700 und 1725 eine Siedlungsstruktur mit über 100 Gehöften geschaffen
(das Altdorf Burg wies nur 74 Hofstellen auf). Aus diesem, die natürlichen
Gegebenheiten berücksichtigenden Siedlungsgebilde ist das Dorf Burg-Kauper
hervorgegangen. Erst 1725 wurden Vertreter der preußischen Kriegs- und
Domänenkammer auf diese Kulturleistung der Sorben aufmerksam. Unter Anwendung
von Zwangsmaßnahmen, darunter Gebäudeabbrüche, setzten sie die Steuerzahlung
durch und bestätigten danach den Schöpfern die weitere Nutzung. Die Kolonisation
des 18. Jh. – bes. aber die vorangegangene Kaupen-Besiedlung – führte im inneren
Spreewald zur Entwicklung neuer Hausformen: Das Giebelkammerhaus sowie ein
kombiniertes Block-/Fachwerkgebindehaus stellten eigenständige,
funktionell-ästhetische und von Sorben geschaffene Hausformen dar, die den
extremen Bedingungen der Region teils über 200 Jahre standhielten. Viele dieser
Spreewald-Blockhäuser stehen unter Denkmalschutz (→ Denkmale).
Altes
Bauernhaus in Lehde, um 1955; Fotograf: Ernst Tschernik, Sorbisches Kulturarchiv
am Sorbischen Institut
Viehtransport per Kahn im Spreewald, 1954; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Ab dem 19. Jh. dominierte mit dem Gemüseanbau (Gurken, Meerrettich, Rhabarber,
Zwiebeln) die Produktverarbeitung über den Eigenbedarf. Den Absatz der Produkte
garantierte die Großstadt Berlin,
die spreeabwärts leicht zu erreichen war. Einen Aufschwung nahm der Gartenbau im
letzten Drittel des 19. Jh., als der Spreewald durch Straßen- und Eisenbahnbau
Anbindungen an überregionale Märkte erhielt. Mit der Verkehrserschließung wuchs
der Tourismus. Viele Bauern betätigten sich an den Wochenenden als
Kahnfährleute, Gastwirte oder Pensionsbetreiber. Die Eigenart der
Spreewaldlandschaft, die markanten Blockbauten sowie das Erleben sorbischer
Alltags- und Festkultur bilden seitdem einen Anziehungspunkt für Besucher aus
dem In- und Ausland, obgleich das Umland seit der DDR-Zeit von landwirtschaftlichen Großbetrieben, Tagebauen und
Energieanlagen geprägt ist.
Bis ins ausgehende 18. Jh. überwog im Unterspreewald die niedersorbische Sprache.
Sprachverbote, wie etwa
1430 für die Herrschaft Lübbenau erlassen, blieben im späten Mittelalter selten.
Nach der Reformation wurde durch Gottesdienste und Verkündigung in der
Muttersprache das Sorbische aufgewertet und gestärkt. Im 17. und 18. Jh. sind
jedoch obrigkeitliche Maßnahmen durchgesetzt worden, die im preußischen und im
sächsischen Unterspreewald – wie auch im angrenzenden Kurmärkisch-wendischen Distrikt – zur Assimilation der Bevölkerung führten. Das 19. und das frühe 20. Jh.
waren auch im Spreewald von staatlich betriebener Verdrängung der sorbischen
Sprache in Schule und Kirche gekennzeichnet. Die
Einstellung der Predigt erfolgte in Lübben spätestens 1819, in Lübbenau 1867 und
in Vetschau endgültig 1932; in den ländlichen Bereichen des Oberspreewalds
dauerte die kirchliche Sprachverwendung meist bis in die 1920er Jahre an.
Typischer Heuschober „Stog“ im Spreewald, 1956; Fotograf: Ernst Tschernik,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Für die Pflege des Sorbischen setzten sich einige deutsche wie sorbische Pastoren
ein, so die in Lübbenau wirkenden Oberpfarrer und Sprachkundler Jan Chojnan, Johann Gottlieb Hauptmann (→ Grammatiken, → Gesangbuch),
Kito Fryco Stempel (→ Literatur, → Lyrik),
Měto Korjeńk und Jan Bjarnat Krušwica.
Mina
Witkojc; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
In Literatur, Bildender Kunst und Film hat der Spreewald zahlreiche Spuren
hinterlassen. Theodor Fontane besuchte
1859 die Gegend und würdigte die sorbische Bevölkerung sowie Oberpfarrer Stempel
in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Bis 1876 verbrachte der
Volkskundler Wilibald von Schulenburg
mehrere Jahre in Burg und studierte die Erzähl-, Bau- und Alltagskultur der
Spreewaldbewohner. Auch der Arzt, Anthropologe und Politiker Rudolf Virchow hat mit Grabungen und
Veröffentlichungen das Interesse der Fachwelt auf den Spreewald gelenkt. Mit dem
heimatlichen Spreewald tief verbunden waren der in Werben geborene und später in den USA
wirkende niedersorbische Dichter Mato
Kosyk und die aus Burg stammende Publizistin und Lyrikerin
Mina Witkojc (deutsche Auswahl
„Echo aus dem Spreewald“, 2001). Im 19. und 20. Jh. widmeten sich Künstler wie
Christian Gottlob Hammer,
Carl Max Krüger, Adolf Burger, Philipp Franck, Paul
During und Fryco Latk
dem Spreewald in Landschafts- und Genremalerei. Fremdenverkehrsämter warben ab
Ende der 1920er Jahre mit volkstümlichen Theater- und Heimatspielen oder großen
Trachtenfesten für einen Besuch der Region. Eine zentrale Sehenswürdigkeit
bildet heute das 1957 gegründete Freilichtmuseum in Lübbenau-Lehde, das die
Lebens-, Arbeits- und Baukultur des Spreewalds und seiner Bewohner festhält.
Auch die im Spreewald getragene Tracht zeigt spezifische Züge:
Typisch sind die große Haube, das große Kopftuch (niedersorbisch lapa)
und der mit Samt- und Seidenbändchen sowie Spitzen besetzte Rock.
Lit.: F. C. Franz: Der Spreewald in phisikalisch-statistischer Hinsicht, Görlitz 1800; Der
Spreewald und seine Bewohner, bearb. von E. Kühn, Cottbus 1889; Geschichte der
Spreewaldstadt Lübbenau, Hg. P. Fahlisch, 2. Aufl., Lübbenau 1928; L. Balke: Die
Tracht der Sorben um Lübbenau, Bautzen 1976; Burger und Lübbenauer Spreewald.
Werte der deutschen Heimat, 2. Aufl., Weimar 1994; A. Roggan: Das Amtsdorf Burg
und die Kaupenbesiedlung, Burg 2007.