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Maibaum­werfen
von Měrćin Wałda

Volksfest in der sorbischen katholischen Region und in angrenzenden evangelischen Dörfern, bei dem ein meist zu Walpurgis (30. April) auf dem Dorfplatz aufgestellter, glatter Baumstamm, dessen Spitze mit Bändern und Kränzen geschmückt ist, gefällt wird. In der Niederlausitz wird am 1. Mai der Maibaum aufgestellt und vielerorts erst Pfingsten oder Johannis, allerdings ohne Fest, abgenommen.

Der Maibaum galt als Vergrößerung des Segenszweigs (Palmzweigs) bzw. der Lebensrute und als Symbol für Fruchtbarkeit. Die Vorläufer waren grüne Zweige oder Bäumchen (obersorb. meja, mejka, niedersorb. majka), die seit dem frühen Mittelalter als Schmuck dienten oder als Ehren- und Liebesmaien verschenkt wurden. Sie sind überall in Europa auch als Pfingst- bzw. Kirchweihbäume oder als mit Preisen behängte Kletterstangen bekannt. Wollte man sich zu Walpurgis noch vor dem „Alten“ schützen (→ Hexenbrennen), so wurde am ersten Maitag das „Neue“ eingeholt. Die Berührung mit den Sprösslingen sollte Lebensfülle bringen, um alles Böse zu überwinden. Mancherorts wurde das Vieh um den Baum geführt, war es doch oft der Tag des ersten Viehaustriebs. Kinder stellten Weidenruten auf und sprangen darüber, um Glück zu erhaschen oder damit die Kühe viel Milch gaben. Maikönig und -königin galten als Vegetationspaar.

Maibaumaufstellen in Ostro, 1954; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Tanz um den Maibaumbaum in Ostro, 2017; Fotografin: Anja Pohontsch; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Für den Maibaum wird ein gerade gewachsener Nadelbaum entästet und geschält. Eine am Wipfel befestigte junge Birke (in einigen Orten eine junge Fichte), wird mit Kranz, bunten Bändern oder Schleifen, gelegentlich mit sorbischen Fähnchen (→ Nationale Symbole) versehen, der Stamm oftmals mit Girlanden umwunden. Nach dem Aufstellen tanzt die Dorfjugend um ihn herum, in einigen katholischen Dörfern werden auch Marienlieder (→ Kirchenlied) gesungen. Der Maibaum wird in der Regel bewacht, damit er nicht von der Jugend der Nachbarorte gefällt wird. Wenige Wochen später findet das Maibaumwerfen statt. Bevor der Maibaum „geworfen“ wird, tanzt die Jugend unter ihm. Wer von den Burschen in einem Wettlauf nach dem Fällen den Wipfel als Erster erhascht, ist Maikönig. Er wählt sich seine Maikönigin für den Umzug durchs Dorf. Das Paar erhält den Vortanz.

Die Maibaumtradition stieß bei der evangelischen Kirche auf Ablehnung, wurde jedoch von der Gegenreformation akzeptiert. Strenge Forstbestimmungen brachten den Brauch vielerorts zum Erliegen. Nach erneuter Entfaltung im 19. Jh., u. a. durch Mai-Vereine, sowie nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Maibaum zur Mode. Intensive Verbreitung erlebte er während der NS-Zeit, als er zum Sinnbild des ideologischen Aufbruchs stilisiert wurde. In der Niederlausitz wurde das Maibaumaufstellen deshalb von Pfingsten auf den 1. Mai vorverlegt.

Lit: H. Faßke: Maibräuche der Sorben, in: Lětopis C 27 (1984); M. Walde: Hexenbrennen und Maibaum, Bautzen 1996.

Metadaten

Titel
Maibaum­werfen
Titel
Maibaum­werfen
Autor:in
Wałda, Měrćin
Autor:in
Wałda, Měrćin
Schlagwörter
Brauchtum; Brauch; Manifest; Fest; Maibaum; Hexenbrennen
Schlagwörter
Brauchtum; Brauch; Manifest; Fest; Maibaum; Hexenbrennen
Abstract

Volksfest in der sorbischen katholischen Region und in angrenzenden evangelischen Dörfern, bei dem ein meist zu Walpurgis (30. April) auf dem Dorfplatz aufgestellter, glatter Baumstamm, dessen Spitze mit Bändern und Kränzen geschmückt ist, gefällt wird.

Abstract

Volksfest in der sorbischen katholischen Region und in angrenzenden evangelischen Dörfern, bei dem ein meist zu Walpurgis (30. April) auf dem Dorfplatz aufgestellter, glatter Baumstamm, dessen Spitze mit Bändern und Kränzen geschmückt ist, gefällt wird.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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