Professionelle Hervorbringungen auf den Gebieten der Malerei, Grafik und
Bildhauerei in Abgrenzung zur Volkskunst, einschließlich Grenzen
überschreitender Gattungen wie Fotografie, Video, Zeichentrickfilm, Objektkunst oder Installation.
Sorbische bildende Kunst war stets in die allgemeine Geschichte der Sorben
eingebunden. Ihre Antriebe, Motive, sozialen Träger, Formen, Funktionen und
Wirkungen waren in den jeweiligen Epochen unterschiedlich und müssen aus den
historischen Zusammenhängen heraus beurteilt werden.
In der Feudalzeit fehlten den Sorben aufgrund einer fragmentarischen
Sozialstruktur die Voraussetzungen zur eigenständigen kulturellen Entfaltung.
Bildnerische Bedürfnisse wurden deshalb fast ausschließlich in
volkskünstlerischen Formen (Produkte der Hauswirtschaft, Trachten, dekorative
Bauformen) oder in religiöser Kunst (Betsäulen, Grabkreuze, Andachtsbilder,
Devotionalien usw.) befriedigt. Die Kirchen in den sorbischen Dörfern, die im
Zuge der Christianisierung seit dem 11. Jh.
errichtet wurden, weisen in ihrer Architektur nicht auf die ethnische Spezifik
der Bevölkerung hin. Sorbisches findet aber Ausdruck in ihren Ausmalungen,
selbst wenn die ikonografischen Grundschemata sich nicht von denen der
Dorfkirchen gleicher Zeitstellung in deutschen Siedlungsgebieten unterscheiden.
Das äußert sich in moralisierenden Szenen und Höllenstrafen androhenden
Fabelwesen, in Darstellungen, die an den Volksglauben der sorbischen
Landbewohner anknüpfen (Gebelzig,
Zaue, Kalkwitz, Briesen). Eine ethnisch determinierte ikonografische
Sonderentwicklung ist nicht nachweisbar. Spezifische Reflexion bietet etwa der
Dudelsack eindeutig sorbischen Typs als Vanitassymbol in den Wandmalereien der
Dorfkirche Briesen bei Cottbus
(1486).
Nach der Reformation richteten die Stadträte beider Lausitzen für ihre
sorbischen Bürger und die bäuerliche Bevölkerung des Umlands Predigtkirchen mit
muttersprachlichem Gottesdienst ein. Als Wendische Kirchen nutzte man in der Regel die leer stehenden
Klosterkirchen in den Städten. Nur vereinzelt wurden Kirchen neu errichtet. Bau
und Einrichtung, falls nicht durch die vorhandene Substanz vorgegeben, folgten
den Normen des zeitgenössischen evangelischen Kirchenbaus. Der Übergang von
deutsch- zu sorbischsprachigen Inschriften an Kirchengebäuden und -inventar
erfolgte erst gegen Ende des 18. Jh.
Künstler sorbischer Herkunft werden mit Namen und Œuvre seit dem 17. Jh. fassbar.
Mathias Wenzel Jäckel (1655–1738)
aus Wittichenau betrieb seine
Werkstatt in Prag, wo sich auch der
Großteil seiner Skulpturen befindet: in der St. Josefskirche auf der Kleinseite,
am Hochaltar der Kreuzherrenkirche und auf der Karlsbrücke. Weitere Arbeiten
sind nachweisbar in den Klosterkirchen von Sedlec, Břevnov,
Broumov, im Kloster von
Chotěšov u. a. Orten in Böhmen
und Mähren. Zuschreibungen von Arbeiten in der Lausitz sind unsicher. Jäckels Figuren zeigen Einflüsse des
italienischen hochbarocken Illusionismus und zeichnen sich durch sensualistische
Modellierung aus. Georg Vater (1673
bis nach 1726), ebenfalls aus Wittichenau, erhielt vermutlich seine Ausbildung
in Prag und war für das katholische Domstift in Bautzen, die
Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern in Panschwitz und die Pfarrkirche seines Geburtsorts tätig. Seine
eleganten Gebärdenfiguren sind trotz barocker Pathetik klar konzipiert und
korrespondieren mit den architektonischen Bedingungen ihrer Umgebung. Der
Bildhauer Jakub Delenka (1695–1763)
aus Salzenforst war domstiftlicher
Untertan und blieb wohl ohne höhere Ausbildung. Seine Arbeiten aus Holz, Stein
und Stuck entstanden für das Bautzener Domstift, die katholische Pfarrkirche in
Schirgiswalde und das Kloster
St. Marienstern. An die Stelle des barocken Überschwangs traten Zurückhaltung in
Gestus und Ausdruckskraft, in der dekorativen Manier kündigte sich das Rokoko
an.
Im Zuge der gegenreformatorischen Bestrebungen der zweiten Hälfte des 17. und der
ersten Hälfte des 18. Jh. traten die Dekane des Domstifts, die oft sorbischer
Herkunft waren, als Anreger und Mäzene auf. Matej
Jan Józef Vicky war Förderer des Bildhauers Georg Vater.
Jan Józef Ignac Freišlag ze
Šmiedenthala und Jakub Jan Józef
Wóski z Bärenstamma forcierten den Kirchenbau und die
Kirchenausstattung der katholischen Region (Bau bzw. Erneuerungen der Kirchen in Crostwitz, Rosenthal, Ralbitz,
Ostro und der Klosterkirche in
Panschwitz). Unter Bischof Wóski erhielt das Domstift eine repräsentative
Barockfassade, deren Figurenausstattung u. a. von Delenka geschaffen wurde.
Ende des 18. Jh. entstanden die Voraussetzungen, dass sich die Künste auch ohne
kirchliche Auftraggeberschaft entwickeln konnten. Hendrich Božidar Wjela (1778–1805), als Sohn eines sorbischen
Pfarrers in Förstgen geboren,
besuchte die Görlitzer Zeichenschule bei Christoph Nathe und studierte dann an der Kunstakademie
Dresden Landschaftsmalerei bei
Johann Christian Klengel. Seit
1799 stand er als Zeichner im Dienst der Chalkographischen Gesellschaft
Dessau. 1802 nahm er als
Zeichner und Kartograf an einer militärisch-geologischen Expedition in den
Kaukasus unter Leitung des russischen Grafen Apollo Mussin-Puschkin teil. Wjelas
Kunst steht an der Wende vom Klassizismus zur Romantik. Seine frühen Blätter,
die u. a. von Nathe und Klengel beeinflusst waren, umfassten topografische
Aufnahmen, stimmungsvolle Ideallandschaften, klassizistische Bildungspanoramen
und eine romantisierende Landschaftsschau. Im Kaukasus kam Wjela durch den
überwältigenden Natureindruck zu einer neuen, individuellen Formensprache, die
sich besonders in Federzeichnungen äußerte. Die druckgrafische Umsetzung der
Arbeiten wurde durch seinen frühen Tod beendet. Carl Blechen (1798–1840), der mütterlicherseits sorbischer
Herkunft war und seine Jugendjahre in Cottbus verbrachte, wurde zu einem
bedeutenden Vorläufer der realistischen Malerei in Deutschland. Seine Herkunft
spiegelt sich aber kaum in der künstlerischen Entfaltung, die anderen Impulsen
folgte.
Ein autochthones sorbisches Künstlertum entwickelte sich erst parallel zu den Bestrebungen
der nationalen Wiedergeburt im zweiten
Drittel des 19. Jh. Anders als in den Sprachkünsten und in der Musik setzte dieser
Prozess sehr verhalten ein. Bis zum 20. Jh. fehlten aufgrund der besonderen
historischen Entwicklung und demografischen Struktur bei den Sorben die
sozialökonomischen Grundlagen für die Entstehung eines freien Künstlertums. So
entstanden meist nur Gelegenheitsgrafiken, wie die des sorbischen Pfarrers
Julius Eduard Wjelan (1817–1892)
aus Schleife im Stil und Geist der Vormärzkarikatur, die er 1850/51 in der Zeitung
„Tydźenske Nowiny“ veröffentlichte.
Um die Mitte des 19. Jh. erhöhte sich die Zahl der sorbischen Motive in der deutschen Kunst.
Ab Ende des Jahrhunderts beschäftigten sich zunehmend auch slawische Künstler
mit den Sorben und sorbischen Lebenswelten. Der Blick „von außen“ offenbarte
Motive, die sich eher aus den Lebensumständen und den geistigen Bedürfnissen der
Beobachter erklärten als aus innersorbischen Bedingungen. So waren schon die
Darstellungen sorbischer Bauernpaare bei Johann
Salomo Richter (1761–1798) oder Johann Samuel Graenicher (1758–1813) einem Streben im Sinne
Rousseaus geschuldet, dem einfachen Landleben neue Würde zu verleihen. Später
reihten sich die sorbischen Motive in die romantischen Entdeckungen der
Landschaft und des als Idylle verklärten Landlebens ein. Die etwa in den 60er
Jahren des 19. Jh. einsetzende Spreewaldmalerei (u. a. Adolf Burger, 1833–1876; Carl Max Krüger, 1834–1880) war Ausdruck
einer Sinnkrise der modernen industriellen und großstädtischen Entwicklung, die
sich im Bild der vermeintlich unberührten Landschaft und des noch intakten
Volkslebens ihrer sorbischen Bewohner widerspiegelte. Dabei spielte die
räumliche Nähe zwischen dem Spreewald und der aufstrebenden Metropole Berlin, die 1866 durch den Bau der
Eisenbahnstrecke zwischen Berlin und Cottbus noch gesteigert wurde, eine
besondere Rolle. Sorbisches Volksleben, das sich in den Heide- und
Spreewalddörfern, dem Brauchtum, den Trachten, der besonderen Frömmigkeit
manifestierte, war ein starkes Motiv für die Hinwendung deutscher Künstler zum
Bild der Sorben. Seit den 1870er Jahren – mit Wilibald von Schulenburg (1847–1934) als Vorreiter – traten
volkskundliche Interessen und Heimatschutz-Aspekte hinzu, die das Bild
modifizierten und erweiterten (u. a. Albert
Kretschmer, 1825–1891; Friedrich
Hottenroth, 1840–1917; Otto
Piltz, 1846–1910). Als die Industrialisierung mit ihren sozialen Konflikten auch das sorbische
Milieu erfasste und in den Strudel der Moderne hineinzog, wurden auf den in
Großstädten angesiedelten Bildern wendische Ammen und Dienstboten dargestellt (u. a. Fritz Paulsen, 1838–1889; Julius Jacob d. J., 1842–1929; Christian Wilhelm Allers, 1857–1915;
Heinrich Zille, 1858–1929).
Auch die impressionistisch geprägte Malerei an der Wende vom 19. zum 20. Jh. ging nicht an
sorbischer Motivik vorbei. Der Berliner Sezessionist aus dem Liebermann-Umkreis
Philipp Franck (1860–1944)
entdeckte für sich den Spreewald und hielt seine Erlebnisse in eindrucksvollen
Farbkompositionen fest. Der Kirchort Schleife, das „sorbische Worpswede“, zog mit seinem lebendigen, durch den Gebrauch der
Trachten visuell geprägten Volksleben in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jh.
immer wieder Künstler an. William Krause
(1875–1925), beeinflusst durch seinen Lehrer Carl Bantzer an der Dresdener Akademie,
widmete sich dem Brauchtum im Kirchspiel. Das Schaffen des Tschechen Ludvík Kuba (1863–1956) war durch ein
wissenschaftlich-folkloristisches Interesse und durch den Gedanken slawischer
Solidarität mit dem sorbischen Volk bestimmt. Die systematischen Reihen von
Trachtenporträts erlangten wegen der qualitätvollen Malweise Kubas, die vom
Impressionismus bestimmt war, Bedeutung über das Dokumentarische hinaus.
Fortsetzung fand die Brauchtumsmalerei in den 1930er und 1940er Jahren durch
andere nicht sorbische Künstler (Friedrich
Krause-Osten, 1884–1966; Rolf
Friedmann, 1876–1953; Ante
Trstenjak, 1894–1970). Es gab auch Künstler sorbischer Herkunft,
deren Werk unabhängig von der organisierten Nationalbewegung entstand. Paul During (1901–1944), in Burg (Spreewald) geboren, malte Szenen
eines vor dem Zweiten Weltkrieg noch lebendigen sorbischen Alltags im
Spreewald.
Das Genre des sorbischen bürgerlichen Porträts war in der zweiten Hälfte des 19.
und am Beginn des 20. Jh. Ausdruck des erwachenden Selbstbewusstseins der
sorbischen Intelligenz und eines weiteren Differenzierungsprozesses innerhalb
des sorbischen Ethnikums. Bei der Ausgestaltung des Wendischen Hauses in Bautzen (1897–1904)
bemühte sich der Sprach- und Volkskundler Arnošt
Muka um eine sorbische Porträtgalerie. In volkserzieherischer
Absicht sollte durch die Bilder von Persönlichkeiten der sorbischen
Kulturgeschichte ein Parnass geschaffen werden. In Ermangelung einer
selbstständigen sorbischen Künstlerschaft wurden tschechische Maler beauftragt,
der produktivste davon war Ludvík Kuba. Die Porträts befinden sich heute im Sorbischen Museum
in Bautzen.
Mit dem Aufschwung der sorbischen Nationalbewegung nach dem Ersten Weltkrieg und der Erringung relativer
Freiheiten in der Weimarer Republik entstanden
erstmals in der sorbischen Geschichte Bedingungen für eine eigenständige
Entwicklung sorbischer bildender Kunst, für ihre Professionalisierung und
Traditionsbildung. 1923 wurde eine erste Vereinigung sorbischer bildender
Künstler (→ Vereinigungen bildender Künstler) gegründet. Ihr gehörten neben
wenigen Laien akademisch geschulte Maler und Grafiker an (Jurij Hajna, 1877–1952; Hanka Krawcec, 1901–1990; Fryco Latk, 1895–1980; Měrćin Nowak-Njechorński, 1900–1990). Sie
brachten, ihren Entwicklungs- und Ausbildungswegen gemäß, unterschiedliche
Handschriften ein. Ihr Schaffen war auf die Herausbildung einer nationalen
sorbischen Kunst gerichtet. Den Schwerpunkt bildeten nationale Elemente durch
Bezug auf bestimmte traditionelle Formen und Stoffe (Folklore, Bräuche, Mythologie, Religion). Weitgehend ausgeklammert wurden soziale Fragen,
wodurch letztlich eine spezifische Art der Heimatkunst entstand. Diese bezog
ihre Anleihen weniger aus dem bürgerlichen Realismus des 19. Jh., sondern
vielmehr aus der Volksästhetik. Parallelen weist die sorbische Heimatkunst zu
Kunstentwicklungen anderer slawischer Völker auf (Bulgaren, Slowaken).
Die dominante Persönlichkeit dieser Künstlergeneration war Měrćin
Nowak-Njechorński. Er prägte mit seinen Grafiken das Bild vom sorbischen
Volksleben in der sorbischen und deutschen Öffentlichkeit und im slawischen
Ausland. Seine Kunst, die alle sozialen Schichten der Sorben erreichte und von
beiden Konfessionen akzeptiert wurde, trug im innersorbischen Bereich zur
Konstituierung des Nationalbewusstseins bei. Nowak-Njechorński entwarf 1927 das
Programm eines sorbischen Nationalstils in der bildenden Kunst, der sich an der
eigenen Volkskunst und den Traditionen anderer slawischer Volkskulturen sowie
der Stilkunst um 1900 orientieren sollte. Dieses Schema wurde jedoch in der
praktischen Tätigkeit der übrigen sorbischen Künstler durchbrochen. Fryco Latk,
der nach dem Studium an der Kunsthochschule in Weimar hauptsächlich als Illustrator und Pressezeichner tätig
war, fühlte sich zum Landschaftsmaler berufen. Frühe Zeichnungen und Aquarelle
aus dem Spreewald entstanden aus der unmittelbaren Naturbeobachtung im Sinne der
Maler von Barbizon und der Weimarer
Malerschule. Diese Auffassung sollte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg
wandeln: An die Stelle identifizierbarer Landschaftsausschnitte traten dann im
Atelier gemalte Inszenierungen exemplarischer, von den industriellen Umwälzungen
unberührter Natur voll eigentümlicher Melancholie. Jurij Hajna malte zeitlebens
Landschaften und Bildnisse. Waren es früh die erzählerisch wiedergegebenen
Ansichten von und um Bautzen, so gelangte er nach langjährigem Aufenthalt in
Italien zu neuer Sachlichkeit mit großzügigen Überblickslandschaften und
Stadtveduten in gedämpfter Farbigkeit. Sorbisches wurde bei ihm unmittelbar in
Bildnissen thematisiert. Hanka Krawcec, die an der Kunstgewerbeakademie in
Dresden und der Kunstgewerbeschule in Prag studiert hatte, war v. a. im
angewandten Bereich tätig. Der deskriptive prosaische Genrerealismus ihrer
Grafiken, bei denen es zahlreiche Bezüge zur Folklore gibt, wurde später von
symbolisch verknappten Grafiken abgelöst.
Im Kontext des nationalen und kulturellen Aufschwungs der Nachkriegszeit erfolgte
1948 die Neugründung des Arbeitskreises sorbischer bildender Künstler. Durch die
gewachsene Mitgliederzahl wurden differenziertere Weltsichten, geistige
Haltungen und heterogene Ausdrucksweisen sichtbar. Die Arbeit war im ersten
Jahrzehnt durch Auseinandersetzungen um Spezifik und Funktion sorbischer
bildender Kunst in der Gesellschaft bestimmt. Diese mussten innerhalb einer
restriktiven staatlichen Kulturpolitik, die den Künsten im Motivischen wie in
den Formen Vorschriften zu machen suchte, geführt werden. Die sog.
Formalismusdiskussion, eine Debatte um den Realismus in der Kunst, die um 1950
unter politischen Verdächtigungen vonstatten ging, führte zu Austritten und
Ausschlüssen aus dem Arbeitskreis. Ein Aspekt der Diskussion betraf die
Bestimmung des Nationalen in den Künsten. Die Künstler, die schon in der
Zwischenkriegszeit tätig gewesen waren, vertraten weiter ihre ästhetischen
Positionen in Bezug auf Folklore, Brauchtum, Religion bis hin zur Behauptung
einer von der allgemeinen Kunstgeschichte losgelösten sorbischen
Kunstentwicklung. Mit der Institutionalisierung der sorbischen Kultur und der
Gründung eigenständiger kultureller Einrichtungen begann ein gezieltes
Auftragswesen für die sorbische bildende Kunst; Schwerpunkte waren
Buchgestaltung, Illustration und das Kulturplakat.
Neben den Künstlern der Zwischenkriegszeit wurde nun eine neue Generation aktiv, die das
Gattungs- und Themenspektrum zu erweitern begann: Conrad Felixmüller (1897–1977), der 1948 erster Vorsitzender des
Arbeitskreises war, aber schon 1949 aus dieser Funktion ausschied, hatte sich in
dörflichen Genreszenen aus der Umgebung von Crostwitz – seinem damaligen
Aufenthaltsort – dem sorbischen Thema genähert. Jan Hempel (1917–1998) entwarf Kostüme und Bühnenbilder für das
(Deutsch-)
Sorbische Volkstheater und für das Staatliche Ensemble für sorbische
Volkskultur (→ Sorbisches National-Ensemble). Konrad
Zenda (1900–1958) erhielt Aufträge für sorbische Denkmalsplastik
und architekturbezogene Kunst. Horst Šlosar
(1903–1964), der aus dem Umkreis von Otto Dix kam, setzte in einer sachlichen Malweise sorbische
Bauern ins Bild. Mit seiner auf der III. Deutschen Kunstausstellung 1953
gezeigten „Bauerndelegation bei sozialistischer Künstlerbrigade“ (1952) schuf er
eine Art Inkunabel des sozialistischen Realismus nach damaligem Verständnis.
Ota Garten (1902–2000), Schüler
der Dresdener Akademie, stand in der malerischen Tradition, die Gotthardt Kuehl einst mitgebracht hatte.
Fruchtbar war Gartens Paris-Aufenthalt 1930–1932, dessen Ergebnis souveräne
Stadtlandschaften mit unspektakulären Straßenzügen waren, die in ihrer
malerischen Kraft an Maurice Utrillo
erinnern. Im Arbeitskreis hingegen entstanden Bilder mit sorbischen Inhalten, so
die Ostereier malende „Anna
Tillich“ (1966). Darstellungen von Menschen aus Gartens engerer
Heimat um Elstra sind bestimmend für
sein Lebenswerk. Carlo Nowak
(1873–1959) und Wylem Šybaŕ
(1887–1974) malten Niederlausitzer Landschaften als Ausdruck persönlicher
Wahrnehmung und Raum sorbischer Existenz. Fryco
Kitlaŕ (1891–1981) fand in der Rückbesinnung auf sorbische
Sprachfolklore und die Volkskunsttechnik des Scherenschnitts zu seinen
sorbischen Wurzeln. Wórša Lanzyna (*
1928) und Steffen Lange (1931–2006)
prägten neben Nowak-Njechorński, der auch in der Periode nach 1945 die
bestimmende Persönlichkeit blieb, das Erscheinungsbild gebrauchsgrafischer
Arbeiten. Bei Wórša Lanzyna war das Schaffen in der Schriftgrafik, später im
Kunsthandwerk, bei Steffen Lange in der Buch- und Zeitschriftenillustration von
der sorbischen Folklore geprägt.
Mitte der 1970er Jahre vollzog der Maler Jan Buk (*
1922), der in Wrocław und Dresden
studiert hatte, einen für die weitere Entwicklung sorbischer bildender Kunst
folgenreichen Neuansatz. Symptomatisch dafür war das Bild „Osternacht in der
Lausitz“ (1973), das die Faszination sorbischen Volkslebens beschwor, aber
zugleich ein Abschied davon war. Träger des Bildgehalts sind rein malerische
Mittel. Das Nationale erscheint nicht mehr in seiner abgesonderten Exklusivität,
sondern in einem hochkomplexen, unausschöpfbaren Zusammenhang. So gewann die
sorbische bildende Kunst Anschluss an die moderne Kunstentwicklung, was für das
weitere Schaffen sorbischer Künstler folgenreich wurde. Buk selbst malte
farbintensive Stillleben in der Tradition von Giorgio Morandi sowie Landschaften. Er fand zu einer flächigen
Malerei, die ihre Kraft aus dem Wechselspiel von Farben und Formen bezieht. Der
Gebrauchsgrafiker und Maler Jan Hanski
(1925–2004) schuf neben preisgekrönten Plakaten in seiner originellen
Lackschliffmalerei durch symbolhafte Abstraktionen aufrüttelnde Zeitzeichen.
Božena Nawka-Kunysz (1946–2000)
nutzte in ihren Öl- und Acrylmalereien, in Anlehnung an polnische
Kunsttraditionen, Folklorebezüge zum surrealistischen Überhöhen und
Hinterfragen, verzichtete aber in der freien Grafik und in Illustrationen zu
sorbischer Gegenwartslyrik auf Folklore als Vehikel nationaler Selbstfindung.
Maja Nagelowa (* 1959) agiert in
Grafik und Malerei mit expressiven, hybriden Umrissfiguren, die sowohl an Comics
als auch an Mytheme längst vergangener Kulturen erinnern. Sie begleiten ihr
Schaffen bis in die Gegenwart in Malerei, Grafik und Zeichentrickfilm bei dem
Versuch, Grundfragen des Lebens und der sorbischen Existenz philosophisch
auszudeuten. Jürgen Maćij (* 1953)
dokumentiert die sorbischen Lebenswelten in der Fotografie. Für ihn sind die
Umbrüche im Leben der Lausitzer Hauptgegenstand. Er widmet sich ihnen im
Porträt, in der Dokumentation des Alltags sowie der Festkultur. In den Bildern
der Tagebaulandschaften werden Ordnungs- und Gestaltungsmuster verfremdet und
eigentümliche Ambivalenzen erzeugt. Sophie
Natuškec (* 1950) reflektiert in minimalistischen, poetischen
Zeichnungen und Radierungen ihr Verhältnis zur Landschaft und den Menschen der
jeweiligen Region. Ihre Installationen, Materialbilder und Tierplastiken sind
auf Daseinsbefragungen ausgerichtet. In ihren Landschaften beruft sich Iris Brankačkowa (* 1958) auf die eigenen
Erinnerungen. Alltägliche Motive werden in einem Schwebezustand zwischen
Abstraktion und Gegenständlichkeit immer wieder hinterfragt. Dabei wird
Beiläufiges auf lyrische Weise mit Tiefe aufgeladen. Stephan Kaisers (* 1957) scheinbar
schwerelose Konstruktionen kraftvoller vertikaler und horizontaler
Pinselschwünge rufen die Illusion von Landschaftlichem in einer skriptualen
Malerei hervor, die den Einfluss ostasiatischer Schreibformen nicht verbirgt.
Fred Pětška (* 1962) und Isa Bryccyna (* 1963) folgen eher einem
illustrativen, vom Natureindruck ausgehenden Ansatz in Malerei und
Zeichnung.
Neue Akzente setzen seit der Mitte der 1990er Jahre jüngere Künstlerinnen:
Marion Kwicojc (* 1969), Měrka Meškankec-Pawlikowa (* 1968),
Borbora Wiesnerec (* 1974) u. a.
nutzen aktuelle bzw. in der sorbischen bildenden Kunst bisher kaum beachtete
Medien wie Video, Installation oder Plastik; sie schaffen kühne, individuelle
Ansätze, zu denen auch postmoderne Dekonstruktionen gehören.
Lit.: M. Mirtschin: Sorbische bildende Kunst. Die zwanziger und dreißiger Jahre,
Bautzen 1992; Cottbus; Ch. Boguszowa/M. Měrćinowa/A. Krawc-Dźěwinski: Serbske
tworjace wuměłstwo/Sorbische bildende Kunst 1923–1998, Bautzen 1998; A.
Krautz/B. Pötschke: Wendische Bilderwelten. Der Kunst von Heide und Spreewald
auf der Spur, Bautzen 1999; Das Vermächtnis der Mittagsfrau. Sorbische Kunst der
Gegenwart, Bautzen 2003; M. Mirtschin: Der Blick von außen. Das Bild der
Sorben/Wenden in der deutschen Kunst des 19. jahrhunderts, Bautzen 2006.