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Bildende Kunst
von Maria Mirtschin

Professionelle Hervorbringungen auf den Gebieten der Malerei, Grafik und Bildhauerei in Abgrenzung zur Volkskunst, einschließlich Grenzen überschreitender Gattungen wie Fotografie, Video, Zeichentrickfilm, Objektkunst oder Installation. Sorbische bildende Kunst war stets in die allgemeine Geschichte der Sorben eingebunden. Ihre Antriebe, Motive, sozialen Träger, Formen, Funktionen und Wirkungen waren in den jeweiligen Epochen unterschiedlich und müssen aus den historischen Zusammenhängen heraus beurteilt werden.

In der Feudalzeit fehlten den Sorben aufgrund einer fragmentarischen Sozialstruktur die Voraussetzungen zur eigenständigen kulturellen Entfaltung. Bildnerische Bedürfnisse wurden deshalb fast ausschließlich in volkskünstlerischen Formen (Produkte der Hauswirtschaft, Trachten, dekorative Bauformen) oder in religiöser Kunst (Betsäulen, Grabkreuze, Andachtsbilder, Devotionalien usw.) befriedigt. Die Kirchen in den sorbischen Dörfern, die im Zuge der Christianisierung seit dem 11. Jh. errichtet wurden, weisen in ihrer Architektur nicht auf die ethnische Spezifik der Bevölkerung hin. Sorbisches findet aber Ausdruck in ihren Ausmalungen, selbst wenn die ikonografischen Grundschemata sich nicht von denen der Dorfkirchen gleicher Zeitstellung in deutschen Siedlungsgebieten unterscheiden. Das äußert sich in moralisierenden Szenen und Höllenstrafen androhenden Fabelwesen, in Darstellungen, die an den Volksglauben der sorbischen Landbewohner anknüpfen (Gebelzig, Zaue, Kalkwitz, Briesen). Eine ethnisch determinierte ikonografische Sonderentwicklung ist nicht nachweisbar. Spezifische Reflexion bietet etwa der Dudelsack eindeutig sorbischen Typs als Vanitassymbol in den Wandmalereien der Dorfkirche Briesen bei Cottbus (1486).

Nach der Reformation richteten die Stadträte beider Lausitzen für ihre sorbischen Bürger und die bäuerliche Bevölkerung des Umlands Predigtkirchen mit muttersprachlichem Gottesdienst ein. Als Wendische Kirchen nutzte man in der Regel die leer stehenden Klosterkirchen in den Städten. Nur vereinzelt wurden Kirchen neu errichtet. Bau und Einrichtung, falls nicht durch die vorhandene Substanz vorgegeben, folgten den Normen des zeitgenössischen evangelischen Kirchenbaus. Der Übergang von deutsch- zu sorbischsprachigen Inschriften an Kirchengebäuden und -inventar erfolgte erst gegen Ende des 18. Jh.

Künstler sorbischer Herkunft werden mit Namen und Œuvre seit dem 17. Jh. fassbar. Mathias Wenzel Jäckel (1655–1738) aus Wittichenau betrieb seine Werkstatt in Prag, wo sich auch der Großteil seiner Skulpturen befindet: in der St. Josefskirche auf der Kleinseite, am Hochaltar der Kreuzherrenkirche und auf der Karlsbrücke. Weitere Arbeiten sind nachweisbar in den Klosterkirchen von Sedlec, Břevnov, Broumov, im Kloster von Chotěšov u. a. Orten in Böhmen und Mähren. Zuschreibungen von Arbeiten in der Lausitz sind unsicher. Jäckels Figuren zeigen Einflüsse des italienischen hochbarocken Illusionismus und zeichnen sich durch sensualistische Modellierung aus. Georg Vater (1673 bis nach 1726), ebenfalls aus Wittichenau, erhielt vermutlich seine Ausbildung in Prag und war für das katholische Domstift in Bautzen, die Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern in Panschwitz und die Pfarrkirche seines Geburtsorts tätig. Seine eleganten Gebärdenfiguren sind trotz barocker Pathetik klar konzipiert und korrespondieren mit den architektonischen Bedingungen ihrer Umgebung. Der Bildhauer Jakub Delenka (1695–1763) aus Salzenforst war domstiftlicher Untertan und blieb wohl ohne höhere Ausbildung. Seine Arbeiten aus Holz, Stein und Stuck entstanden für das Bautzener Domstift, die katholische Pfarrkirche in Schirgiswalde und das Kloster St. Marienstern. An die Stelle des barocken Überschwangs traten Zurückhaltung in Gestus und Ausdruckskraft, in der dekorativen Manier kündigte sich das Rokoko an.

Im Zuge der gegenreformatorischen Bestrebungen der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jh. traten die Dekane des Domstifts, die oft sorbischer Herkunft waren, als Anreger und Mäzene auf. Matej Jan Józef Vicky war Förderer des Bildhauers Georg Vater. Jan Józef Ignac Freišlag ze Šmiedenthala und Jakub Jan Józef Wóski z Bärenstamma forcierten den Kirchenbau und die Kirchenausstattung der katholischen Region (Bau bzw. Erneuerungen der Kirchen in Crostwitz, Rosenthal, Ralbitz, Ostro und der Klosterkirche in Panschwitz). Unter Bischof Wóski erhielt das Domstift eine repräsentative Barockfassade, deren Figurenausstattung u. a. von Delenka geschaffen wurde.

Ende des 18. Jh. entstanden die Voraussetzungen, dass sich die Künste auch ohne kirchliche Auftraggeberschaft entwickeln konnten. Hendrich Božidar Wjela (1778–1805), als Sohn eines sorbischen Pfarrers in Förstgen geboren, besuchte die Görlitzer Zeichenschule bei Christoph Nathe und studierte dann an der Kunstakademie Dresden Landschaftsmalerei bei Johann Christian Klengel. Seit 1799 stand er als Zeichner im Dienst der Chalkographischen Gesellschaft Dessau. 1802 nahm er als Zeichner und Kartograf an einer militärisch-geologischen Expedition in den Kaukasus unter Leitung des russischen Grafen Apollo Mussin-Puschkin teil. Wjelas Kunst steht an der Wende vom Klassizismus zur Romantik. Seine frühen Blätter, die u. a. von Nathe und Klengel beeinflusst waren, umfassten topografische Aufnahmen, stimmungsvolle Ideallandschaften, klassizistische Bildungspanoramen und eine romantisierende Landschaftsschau. Im Kaukasus kam Wjela durch den überwältigenden Natureindruck zu einer neuen, individuellen Formensprache, die sich besonders in Federzeichnungen äußerte. Die druckgrafische Umsetzung der Arbeiten wurde durch seinen frühen Tod beendet. Carl Blechen (1798–1840), der mütterlicherseits sorbischer Herkunft war und seine Jugendjahre in Cottbus verbrachte, wurde zu einem bedeutenden Vorläufer der realistischen Malerei in Deutschland. Seine Herkunft spiegelt sich aber kaum in der künstlerischen Entfaltung, die anderen Impulsen folgte.

Ein autochthones sorbisches Künstlertum entwickelte sich erst parallel zu den Bestrebungen der nationalen Wiedergeburt im zweiten Drittel des 19. Jh. Anders als in den Sprachkünsten und in der Musik setzte dieser Prozess sehr verhalten ein. Bis zum 20. Jh. fehlten aufgrund der besonderen historischen Entwicklung und demografischen Struktur bei den Sorben die sozialökonomischen Grundlagen für die Entstehung eines freien Künstlertums. So entstanden meist nur Gelegenheitsgrafiken, wie die des sorbischen Pfarrers Julius Eduard Wjelan (1817–1892) aus Schleife im Stil und Geist der Vormärzkarikatur, die er 1850/51 in der Zeitung „Tydźenske Nowiny“ veröffentlichte.

Um die Mitte des 19. Jh. erhöhte sich die Zahl der sorbischen Motive in der deutschen Kunst. Ab Ende des Jahrhunderts beschäftigten sich zunehmend auch slawische Künstler mit den Sorben und sorbischen Lebenswelten. Der Blick „von außen“ offenbarte Motive, die sich eher aus den Lebensumständen und den geistigen Bedürfnissen der Beobachter erklärten als aus innersorbischen Bedingungen. So waren schon die Darstellungen sorbischer Bauernpaare bei Johann Salomo Richter (1761–1798) oder Johann Samuel Graenicher (1758–1813) einem Streben im Sinne Rousseaus geschuldet, dem einfachen Landleben neue Würde zu verleihen. Später reihten sich die sorbischen Motive in die romantischen Entdeckungen der Landschaft und des als Idylle verklärten Landlebens ein. Die etwa in den 60er Jahren des 19. Jh. einsetzende Spreewaldmalerei (u. a. Adolf Burger, 1833–1876; Carl Max Krüger, 1834–1880) war Ausdruck einer Sinnkrise der modernen industriellen und großstädtischen Entwicklung, die sich im Bild der vermeintlich unberührten Landschaft und des noch intakten Volkslebens ihrer sorbischen Bewohner widerspiegelte. Dabei spielte die räumliche Nähe zwischen dem Spreewald und der aufstrebenden Metropole Berlin, die 1866 durch den Bau der Eisenbahnstrecke zwischen Berlin und Cottbus noch gesteigert wurde, eine besondere Rolle. Sorbisches Volksleben, das sich in den Heide- und Spreewalddörfern, dem Brauchtum, den Trachten, der besonderen Frömmigkeit manifestierte, war ein starkes Motiv für die Hinwendung deutscher Künstler zum Bild der Sorben. Seit den 1870er Jahren – mit Wilibald von Schulenburg (1847–1934) als Vorreiter – traten volkskundliche Interessen und Heimatschutz-Aspekte hinzu, die das Bild modifizierten und erweiterten (u. a. Albert Kretschmer, 1825–1891; Friedrich Hottenroth, 1840–1917; Otto Piltz, 1846–1910). Als die Industrialisierung mit ihren sozialen Konflikten auch das sorbische Milieu erfasste und in den Strudel der Moderne hineinzog, wurden auf den in Großstädten angesiedelten Bildern wendische Ammen und Dienstboten dargestellt (u. a. Fritz Paulsen, 1838–1889; Julius Jacob d. J., 1842–1929; Christian Wilhelm Allers, 1857–1915; Heinrich Zille, 1858–1929).

Auch die impressionistisch geprägte Malerei an der Wende vom 19. zum 20. Jh. ging nicht an sorbischer Motivik vorbei. Der Berliner Sezessionist aus dem Liebermann-Umkreis Philipp Franck (1860–1944) entdeckte für sich den Spreewald und hielt seine Erlebnisse in eindrucksvollen Farbkompositionen fest. Der Kirchort Schleife, das „sorbische Worpswede“, zog mit seinem lebendigen, durch den Gebrauch der Trachten visuell geprägten Volksleben in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jh. immer wieder Künstler an. William Krause (1875–1925), beeinflusst durch seinen Lehrer Carl Bantzer an der Dresdener Akademie, widmete sich dem Brauchtum im Kirchspiel. Das Schaffen des Tschechen Ludvík Kuba (1863–1956) war durch ein wissenschaftlich-folkloristisches Interesse und durch den Gedanken slawischer Solidarität mit dem sorbischen Volk bestimmt. Die systematischen Reihen von Trachtenporträts erlangten wegen der qualitätvollen Malweise Kubas, die vom Impressionismus bestimmt war, Bedeutung über das Dokumentarische hinaus. Fortsetzung fand die Brauchtumsmalerei in den 1930er und 1940er Jahren durch andere nicht sorbische Künstler (Friedrich Krause-Osten, 1884–1966; Rolf Friedmann, 1876–1953; Ante Trstenjak, 1894–1970). Es gab auch Künstler sorbischer Herkunft, deren Werk unabhängig von der organisierten Nationalbewegung entstand. Paul During (1901–1944), in Burg (Spreewald) geboren, malte Szenen eines vor dem Zweiten Weltkrieg noch lebendigen sorbischen Alltags im Spreewald.

Das Genre des sorbischen bürgerlichen Porträts war in der zweiten Hälfte des 19. und am Beginn des 20. Jh. Ausdruck des erwachenden Selbstbewusstseins der sorbischen Intelligenz und eines weiteren Differenzierungsprozesses innerhalb des sorbischen Ethnikums. Bei der Ausgestaltung des Wendischen Hauses in Bautzen (1897–1904) bemühte sich der Sprach- und Volkskundler Arnošt Muka um eine sorbische Porträtgalerie. In volkserzieherischer Absicht sollte durch die Bilder von Persönlichkeiten der sorbischen Kulturgeschichte ein Parnass geschaffen werden. In Ermangelung einer selbstständigen sorbischen Künstlerschaft wurden tschechische Maler beauftragt, der produktivste davon war Ludvík Kuba. Die Porträts befinden sich heute im Sorbischen Museum in Bautzen.

Mit dem Aufschwung der sorbischen Nationalbewegung nach dem Ersten Weltkrieg und der Erringung relativer Freiheiten in der Weimarer Republik entstanden erstmals in der sorbischen Geschichte Bedingungen für eine eigenständige Entwicklung sorbischer bildender Kunst, für ihre Professionalisierung und Traditionsbildung. 1923 wurde eine erste Vereinigung sorbischer bildender Künstler (→ Vereinigungen bildender Künstler) gegründet. Ihr gehörten neben wenigen Laien akademisch geschulte Maler und Grafiker an (Jurij Hajna, 1877–1952; Hanka Krawcec, 1901–1990; Fryco Latk, 1895–1980; Měrćin Nowak-Njechorński, 1900–1990). Sie brachten, ihren Entwicklungs- und Ausbildungswegen gemäß, unterschiedliche Handschriften ein. Ihr Schaffen war auf die Herausbildung einer nationalen sorbischen Kunst gerichtet. Den Schwerpunkt bildeten nationale Elemente durch Bezug auf bestimmte traditionelle Formen und Stoffe (Folklore, Bräuche, Mythologie, Religion). Weitgehend ausgeklammert wurden soziale Fragen, wodurch letztlich eine spezifische Art der Heimatkunst entstand. Diese bezog ihre Anleihen weniger aus dem bürgerlichen Realismus des 19. Jh., sondern vielmehr aus der Volksästhetik. Parallelen weist die sorbische Heimatkunst zu Kunstentwicklungen anderer slawischer Völker auf (Bulgaren, Slowaken).

Die dominante Persönlichkeit dieser Künstlergeneration war Měrćin Nowak-Njechorński. Er prägte mit seinen Grafiken das Bild vom sorbischen Volksleben in der sorbischen und deutschen Öffentlichkeit und im slawischen Ausland. Seine Kunst, die alle sozialen Schichten der Sorben erreichte und von beiden Konfessionen akzeptiert wurde, trug im innersorbischen Bereich zur Konstituierung des Nationalbewusstseins bei. Nowak-Njechorński entwarf 1927 das Programm eines sorbischen Nationalstils in der bildenden Kunst, der sich an der eigenen Volkskunst und den Traditionen anderer slawischer Volkskulturen sowie der Stilkunst um 1900 orientieren sollte. Dieses Schema wurde jedoch in der praktischen Tätigkeit der übrigen sorbischen Künstler durchbrochen. Fryco Latk, der nach dem Studium an der Kunsthochschule in Weimar hauptsächlich als Illustrator und Pressezeichner tätig war, fühlte sich zum Landschaftsmaler berufen. Frühe Zeichnungen und Aquarelle aus dem Spreewald entstanden aus der unmittelbaren Naturbeobachtung im Sinne der Maler von Barbizon und der Weimarer Malerschule. Diese Auffassung sollte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg wandeln: An die Stelle identifizierbarer Landschaftsausschnitte traten dann im Atelier gemalte Inszenierungen exemplarischer, von den industriellen Umwälzungen unberührter Natur voll eigentümlicher Melancholie. Jurij Hajna malte zeitlebens Landschaften und Bildnisse. Waren es früh die erzählerisch wiedergegebenen Ansichten von und um Bautzen, so gelangte er nach langjährigem Aufenthalt in Italien zu neuer Sachlichkeit mit großzügigen Überblickslandschaften und Stadtveduten in gedämpfter Farbigkeit. Sorbisches wurde bei ihm unmittelbar in Bildnissen thematisiert. Hanka Krawcec, die an der Kunstgewerbeakademie in Dresden und der Kunstgewerbeschule in Prag studiert hatte, war v. a. im angewandten Bereich tätig. Der deskriptive prosaische Genrerealismus ihrer Grafiken, bei denen es zahlreiche Bezüge zur Folklore gibt, wurde später von symbolisch verknappten Grafiken abgelöst.

Im Kontext des nationalen und kulturellen Aufschwungs der Nachkriegszeit erfolgte 1948 die Neugründung des Arbeitskreises sorbischer bildender Künstler. Durch die gewachsene Mitgliederzahl wurden differenziertere Weltsichten, geistige Haltungen und heterogene Ausdrucksweisen sichtbar. Die Arbeit war im ersten Jahrzehnt durch Auseinandersetzungen um Spezifik und Funktion sorbischer bildender Kunst in der Gesellschaft bestimmt. Diese mussten innerhalb einer restriktiven staatlichen Kulturpolitik, die den Künsten im Motivischen wie in den Formen Vorschriften zu machen suchte, geführt werden. Die sog. Formalismusdiskussion, eine Debatte um den Realismus in der Kunst, die um 1950 unter politischen Verdächtigungen vonstatten ging, führte zu Austritten und Ausschlüssen aus dem Arbeitskreis. Ein Aspekt der Diskussion betraf die Bestimmung des Nationalen in den Künsten. Die Künstler, die schon in der Zwischenkriegszeit tätig gewesen waren, vertraten weiter ihre ästhetischen Positionen in Bezug auf Folklore, Brauchtum, Religion bis hin zur Behauptung einer von der allgemeinen Kunstgeschichte losgelösten sorbischen Kunstentwicklung. Mit der Institutionalisierung der sorbischen Kultur und der Gründung eigenständiger kultureller Einrichtungen begann ein gezieltes Auftragswesen für die sorbische bildende Kunst; Schwerpunkte waren Buchgestaltung, Illustration und das Kulturplakat.

Neben den Künstlern der Zwischenkriegszeit wurde nun eine neue Generation aktiv, die das Gattungs- und Themenspektrum zu erweitern begann: Conrad Felixmüller (1897–1977), der 1948 erster Vorsitzender des Arbeitskreises war, aber schon 1949 aus dieser Funktion ausschied, hatte sich in dörflichen Genreszenen aus der Umgebung von Crostwitz – seinem damaligen Aufenthaltsort – dem sorbischen Thema genähert. Jan Hempel (1917–1998) entwarf Kostüme und Bühnenbilder für das (Deutsch-) Sorbische Volkstheater und für das Staatliche Ensemble für sorbische Volkskultur (→ Sorbisches National-Ensemble). Konrad Zenda (1900–1958) erhielt Aufträge für sorbische Denkmalsplastik und architekturbezogene Kunst. Horst Šlosar (1903–1964), der aus dem Umkreis von Otto Dix kam, setzte in einer sachlichen Malweise sorbische Bauern ins Bild. Mit seiner auf der III. Deutschen Kunstausstellung 1953 gezeigten „Bauerndelegation bei sozialistischer Künstlerbrigade“ (1952) schuf er eine Art Inkunabel des sozialistischen Realismus nach damaligem Verständnis. Ota Garten (1902–2000), Schüler der Dresdener Akademie, stand in der malerischen Tradition, die Gotthardt Kuehl einst mitgebracht hatte. Fruchtbar war Gartens Paris-Aufenthalt 1930–1932, dessen Ergebnis souveräne Stadtlandschaften mit unspektakulären Straßenzügen waren, die in ihrer malerischen Kraft an Maurice Utrillo erinnern. Im Arbeitskreis hingegen entstanden Bilder mit sorbischen Inhalten, so die Ostereier malende „Anna Tillich“ (1966). Darstellungen von Menschen aus Gartens engerer Heimat um Elstra sind bestimmend für sein Lebenswerk. Carlo Nowak (1873–1959) und Wylem Šybaŕ (1887–1974) malten Niederlausitzer Landschaften als Ausdruck persönlicher Wahrnehmung und Raum sorbischer Existenz. Fryco Kitlaŕ (1891–1981) fand in der Rückbesinnung auf sorbische Sprachfolklore und die Volkskunsttechnik des Scherenschnitts zu seinen sorbischen Wurzeln. Wórša Lanzyna (* 1928) und Steffen Lange (1931–2006) prägten neben Nowak-Njechorński, der auch in der Periode nach 1945 die bestimmende Persönlichkeit blieb, das Erscheinungsbild gebrauchsgrafischer Arbeiten. Bei Wórša Lanzyna war das Schaffen in der Schriftgrafik, später im Kunsthandwerk, bei Steffen Lange in der Buch- und Zeitschriftenillustration von der sorbischen Folklore geprägt.

Mitte der 1970er Jahre vollzog der Maler Jan Buk (* 1922), der in Wrocław und Dresden studiert hatte, einen für die weitere Entwicklung sorbischer bildender Kunst folgenreichen Neuansatz. Symptomatisch dafür war das Bild „Osternacht in der Lausitz“ (1973), das die Faszination sorbischen Volkslebens beschwor, aber zugleich ein Abschied davon war. Träger des Bildgehalts sind rein malerische Mittel. Das Nationale erscheint nicht mehr in seiner abgesonderten Exklusivität, sondern in einem hochkomplexen, unausschöpfbaren Zusammenhang. So gewann die sorbische bildende Kunst Anschluss an die moderne Kunstentwicklung, was für das weitere Schaffen sorbischer Künstler folgenreich wurde. Buk selbst malte farbintensive Stillleben in der Tradition von Giorgio Morandi sowie Landschaften. Er fand zu einer flächigen Malerei, die ihre Kraft aus dem Wechselspiel von Farben und Formen bezieht. Der Gebrauchsgrafiker und Maler Jan Hanski (1925–2004) schuf neben preisgekrönten Plakaten in seiner originellen Lackschliffmalerei durch symbolhafte Abstraktionen aufrüttelnde Zeitzeichen. Božena Nawka-Kunysz (1946–2000) nutzte in ihren Öl- und Acrylmalereien, in Anlehnung an polnische Kunsttraditionen, Folklorebezüge zum surrealistischen Überhöhen und Hinterfragen, verzichtete aber in der freien Grafik und in Illustrationen zu sorbischer Gegenwartslyrik auf Folklore als Vehikel nationaler Selbstfindung. Maja Nagelowa (* 1959) agiert in Grafik und Malerei mit expressiven, hybriden Umrissfiguren, die sowohl an Comics als auch an Mytheme längst vergangener Kulturen erinnern. Sie begleiten ihr Schaffen bis in die Gegenwart in Malerei, Grafik und Zeichentrickfilm bei dem Versuch, Grundfragen des Lebens und der sorbischen Existenz philosophisch auszudeuten. Jürgen Maćij (* 1953) dokumentiert die sorbischen Lebenswelten in der Fotografie. Für ihn sind die Umbrüche im Leben der Lausitzer Hauptgegenstand. Er widmet sich ihnen im Porträt, in der Dokumentation des Alltags sowie der Festkultur. In den Bildern der Tagebaulandschaften werden Ordnungs- und Gestaltungsmuster verfremdet und eigentümliche Ambivalenzen erzeugt. Sophie Natuškec (* 1950) reflektiert in minimalistischen, poetischen Zeichnungen und Radierungen ihr Verhältnis zur Landschaft und den Menschen der jeweiligen Region. Ihre Installationen, Materialbilder und Tierplastiken sind auf Daseinsbefragungen ausgerichtet. In ihren Landschaften beruft sich Iris Brankačkowa (* 1958) auf die eigenen Erinnerungen. Alltägliche Motive werden in einem Schwebezustand zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit immer wieder hinterfragt. Dabei wird Beiläufiges auf lyrische Weise mit Tiefe aufgeladen. Stephan Kaisers (* 1957) scheinbar schwerelose Konstruktionen kraftvoller vertikaler und horizontaler Pinselschwünge rufen die Illusion von Landschaftlichem in einer skriptualen Malerei hervor, die den Einfluss ostasiatischer Schreibformen nicht verbirgt. Fred Pětška (* 1962) und Isa Bryccyna (* 1963) folgen eher einem illustrativen, vom Natureindruck ausgehenden Ansatz in Malerei und Zeichnung.

Neue Akzente setzen seit der Mitte der 1990er Jahre jüngere Künstlerinnen: Marion Kwicojc (* 1969), Měrka Meškankec-Pawlikowa (* 1968), Borbora Wiesnerec (* 1974) u. a. nutzen aktuelle bzw. in der sorbischen bildenden Kunst bisher kaum beachtete Medien wie Video, Installation oder Plastik; sie schaffen kühne, individuelle Ansätze, zu denen auch postmoderne Dekonstruktionen gehören.

Lit.: M. Mirtschin: Sorbische bildende Kunst. Die zwanziger und dreißiger Jahre, Bautzen 1992; Cottbus; Ch. Boguszowa/​M. Měrćinowa/​A. Krawc-Dźěwinski: Serbske tworjace wuměłstwo/​Sorbische bildende Kunst 1923–1998, Bautzen 1998; A. Krautz/​B. Pötschke: Wendische Bilderwelten. Der Kunst von Heide und Spreewald auf der Spur, Bautzen 1999; Das Vermächtnis der Mittagsfrau. Sorbische Kunst der Gegenwart, Bautzen 2003; M. Mirtschin: Der Blick von außen. Das Bild der Sorben/​Wenden in der deutschen Kunst des 19. jahrhunderts, Bautzen 2006.

Metadaten

Titel
Bildende Kunst
Titel
Bildende Kunst
Autor:in
Mirtschin, Maria
Autor:in
Mirtschin, Maria
Schlagwörter
Malerei; Grafik; Bildhauerei; Plastik; Fotografie; Kunst; Sorben; Maler; Malerin; Grafiker; Grafikerin; Bildhauer; Bildhauerin; Künstler; Künstlerin
Schlagwörter
Malerei; Grafik; Bildhauerei; Plastik; Fotografie; Kunst; Sorben; Maler; Malerin; Grafiker; Grafikerin; Bildhauer; Bildhauerin; Künstler; Künstlerin
Abstract

Professionelle Hervorbringungen auf den Gebieten der Malerei, Grafik und Bildhauerei in Abgrenzung zur Volkskunst, einschließlich Grenzen überschreitender Gattungen wie Fotografie, Video, Zeichentrickfilm, Objektkunst oder Installation. Sorbische bildende Kunst war stets in die allgemeine Geschichte der Sorben eingebunden.

Abstract

Professionelle Hervorbringungen auf den Gebieten der Malerei, Grafik und Bildhauerei in Abgrenzung zur Volkskunst, einschließlich Grenzen überschreitender Gattungen wie Fotografie, Video, Zeichentrickfilm, Objektkunst oder Installation. Sorbische bildende Kunst war stets in die allgemeine Geschichte der Sorben eingebunden.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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